Das Museum der Alltagskultur in Waldenbuch (Kreis Böblingen) erforscht, wie Menschen den Alltag in Zeiten der Corona-Pandemie bewältigen. Dabei tauchen auch positive Effekte der Krise auf – etwa dass man im Home Office nun ständig seine Lieblingsmusik hören kann.

Waldenbuch - Das Foto vom Vorratskeller, der Laptop, der sich vom Laufband aus bedienen lässt, oder die Kinderzeichnung mit der Aufschrift „Corona ist blöd“ – das Museum der Alltagskultur in Waldenbuch hat wieder geöffnet und zeigt Geschichten und Objekte aus dem Online-Projekt „Corona-Alltag“ des Landesmuseums. 600 Menschen waren dem Aufruf gefolgt und hatten Einblicke in ihr Leben in Zeiten der Pandemie gegeben. Und das Projekt geht weiter: Im Waldenbucher Schloss können Besucher jeden Freitag von 14 bis 18 Uhr im „Amt für Corona-Angelegenheiten“ ihre Geschichten erzählen.

 

Zwei Monate lang war das Museum geschlossen. Hinter den Kulissen aber ging die Arbeit weiter. „Die Pandemie und der Lockdown haben den Alltag der Menschen umgekrempelt. Wir wollen wissen, wie sie die Herausforderung gemeistert haben und die Corona-bedingten Veränderungen sichtbar machen“, sagt der Museumsleiter Markus Speidel, der die Besucher am ersten Öffnungstag persönlich begrüßte.

Blick nicht nur in die Vergangenheit richten

Anfassen ist jetzt verboten, und der Abstand muss gewahrt bleiben. Das ist auch für den Hausherrn eine neue Erfahrung. „Wir sind in die Museumspädagogik der 1950 und 60er Jahre zurückgeworfen“, sagt er. Da ist Kreativität gefragt. Die Kuratorin Raffaela Sulzner und Volontärin Janette Helm haben dafür gesorgt, dass sich die Besucher auch unter veränderten Bedingungen in die Ausstellung einbringen können. „Wir wollen den Blick dabei nicht nur in die Vergangenheit richten. Denn die Krise ist noch nicht vorbei“, sagt die Kuratorin. Unter dem Motto „Alltag trotz(t) Corona“ will man die Befindlichkeit der Menschen in der „neuen Normalität“ zwischen dem Lockdown und dem Ende der Pandemie dokumentieren.

Die zahlreichen Besucher, die gleich am ersten Tag den Weg ins Museum gefunden hatten, ließen sich nicht lange bitten. Mit Klemmbrettern und Bleistift ausgerüstet, machten sie sich auf den Weg durch die Ausstellungsräume und klammerten dort an Wäscheleinen Notizzettel mit ihren Gedanken und Gefühlen an. Im Jugendzimmer etwa war zu lesen: „Endlich kann ich im Homeoffice meine Lieblingsmusik hören“. In der Küche hatte ein Gast notiert: „Gemeinsam an einem Tisch sitzen, das kannte man gar nicht mehr.“ Ein anderer notierte: „Es gab immer genug Essen.“

Museumskultur in Echtzeit

Das ist ein guter Start, findet Raffaela Sulzner: „Wir möchten bewirken, dass die Menschen über die Objekte zu sich selbst finden und sich abgeholt fühlen.“ Bei Petra Mauch aus Herrenberg ist das auf Anhieb gelungen. Sie hatte gerade das Corona-Alphabet durchlaufen. Jenen Raum, in dem auf großen Tafeln Begriffe gesammelt werden, die die Corona-Zeit prägen. „Mir ist zu jedem Buchstaben etwas eingefallen“, erzählte sie stolz. Von A wie Achtsamkeit, über Q wie Quarantäne bis zum Zusammenhalten unter Z.

Das Projekt liefert Museumskultur in Echtzeit, statt zurückzublicken und an historischen Exponaten die Vergangenheit zu erklären. „Es ist eine einzigartige Gelegenheit, jetzt Geschichte zu begleiten und zu erleben, wie sie auf den Alltag der Menschen wirkt“, sagt Raffaela Sulzner. Sie hofft darauf, dass möglichst viele Gäste den Weg ins Museum finden und am Kapitel „Der Alltag in Corona-Zeiten“ mitschreiben.

Andere Öffnungszeiten als normalerweise

Das Museum der Alltagskultur hat veränderte Öffnungszeiten und ist jetzt dienstags bis freitags von 14 bis 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Montags ist Ruhetag. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist in allen Bereichen verpflichtend. Ein Leitsystem führt die Besucher durch die Ausstellung.