Petra Härtl leitet das Ditzinger Stadtmuseum seit Januar. Ein Wasserschaden prägte ihren Start im Strohgäu. Jetzt sei Zeit für das Spielerische. Sie meint es ernst.
Der Flipper steht hinter Glas. Es ist ein alter Spielautomat, der Erinnerungen weckt. Genauso wie die Schwarz-Weiß-Fotos vom Schwanen in Ditzingen, der Rose in Schöckingen, dem Rössle in Hirschlanden, dem Ochsen in Heimerdingen und all den anderen Wirtshäusern, Gaststätten, Kneipen, die es einst in den Dörfern gab, die heute die Stadt Ditzingen bilden. Zum Teil gibt es sie heute noch, zum Teil existieren sie nur noch in der Erinnerung. Die Momentaufnahmen, die derzeit im Ditzinger Stadtmuseum gezeigt werden, haben allerdings eines gemeinsam: sie wecken Erinnerungen an Menschen, an Atmosphäre, an Gerüche und Einrichtungsgegenstände. Wie eben jener Flipper. Wo der Spielautomat einst tatsächlich stand, darüber seien sich die Ausstellungsbesucher in ihrer Erinnerung nicht immer einig, erzählt Petra Härtl.
Sie arbeitete im Stadtpalais, im Naturkundemuseum kuratierte sie die Landesausstellung „Anthropozän – Zeitalter? Zeitenwende? Zukunft?“ Seit Jahresbeginn leitet sie nun das Stadtmuseum. Die aktuelle Ausstellung über die Wirtshausgeschichten hatte noch ihre Vorgängerin Nina Hofmann konzipiert, Härtl setzte das Geplante um. Originale Wirtshausmöbel, Gläser, Kronkorken, Bierdeckel und Soundcollagen lassen die Atmosphäre wieder aufleben. Historische Fotografien beleuchten romantische und kuriose Facetten der geselligen Runden.
Die Schau trägt also nicht ihre Handschrift, und doch gibt sie einen Vorgeschmack darauf, was die gebürtige Münchnerin erreichen möchte: Das Museum soll stärker zum Haus für die Bürger werden, ein Haus für alle Generationen, ein Begegnungsort – auch für Kinder und Jugendliche, junge Erwachsene. „Bildung und Wissen sind immer Zeitgeist. Es kommt darauf an, wie man es rüberbringt.“ Das Angebot müsse sich daher wandeln, ohne das Bisherige zu vernachlässigen, sagt Härtl. Aber warum nicht einen Karaoke-Abend machen, wenn es passt – gibt es nicht Wirtshauslieder?
Günther Oettinger, der frühere EU-Kommissar, hatte sich am Ende einer Veranstaltung anlässlich der Ausstellung in seiner Heimatstadt ans Klavier gesetzt und habe gemeinsam mit den Besuchern gesungen. Genau das sei es doch, was ein Stadtmuseum ausmachen müsse, sagt Härtl: Die Bürger sollen es als ihr Haus begreifen, sollen sich einbringen und sich dort begegnen und sie sollen real oder digital sehen, wo ihre Schenkungen als Teil der Ortsgeschichte verwahrt sind.
Viele Kommunen hätten eine vergleichbare Einrichtung, ein Stadt- oder auch Heimatmuseum. Die Häuser etwa in Gerlingen, Gebersheim, Korntal-Münchingen oder Weissach erzählten auch aus ihrer Ortsgeschichte. Die Historien der Nachbardörfer ähnelten sich. Aber gerade deshalb, so Härtl, sei es wichtig, mehr über die Besonderheiten, die Eigenheiten eines Ortes und dessen Bewohner zu erfahren. Das Stadtmuseum habe dabei eine besondere Rolle, es sei „das Wohnzimmer eines Ortes“, in dem alle zusammen kämen, sagt Härtl. Geschichte ließe sich „thematisch spannend“ erzählen, sagt sie. Auch witzige Themen ließen sich interaktiv präsentieren oder mit sinnlichen Erfahrungen verbinden: Warum nicht eine prähistorische Bierwanderung ins Keltenmuseum nach Hochdorf machen, um die Bedeutung des besonderen Funds des Hirschlander Kriegers schätzen zu lernen? Härtl, die diplomierte Prähistorikerin, könnte sich das durchaus vorstellen.
Von Kiel nach Stuttgart
Von München über Kiel führte ihr Weg vor 16 Jahren nach Stuttgart. Als die 48-Jährige zu Jahresbeginn nach Ditzingen kam, sah sie sich mit einem Wasserschaden im Museum konfrontiert. Die Ausstellung in Kooperation mit dem Stadtarchiv war da zwar konzipiert, aber nicht aufgebaut. Jetzt läuft die Schau. Sie wurde zur Reminiszenz an einstige Poststationen, Wirtschaften und Gasthöfe, an die Wirte auch, die häufig zunächst Bäcker oder Metzger waren, ehe sie sich um eine Schankerlaubnis bemühten. Der Museumsleiterin bleibt nun Zeit, sich um das Rahmenprogramm zu bemühen. Wer weiß, was sich ergibt. Jetzt fängt das Spielerische doch erst an, sagt sie. Der Flipper aber wird hinter einer Scheibe geschützt bleiben. Erlebbar machen, was war, sei das eine. Es zu bewahren, das andere, sagt Härtl.
Ausstellung Die Schau im Stadtmuseum am Laien ist zu sehen bis Sonntag, 15. September, Dienstag bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr.