In der erweiterten Neuauflage des Buchs „Der Stuttgarter Osten um 1900“ sind viele spannende Geschichten und Bilder zu entdecken.

Stuttgart-Ost - Der Stuttgarter Stadtteil Berg war ganz am Anfang des 20. Jahrhunderts ein absoluter In-Stadtteil, wie man heute sagen würde. Die Maschinen- und Kesselfabrik Kuhn hatte Weltruf, die Einwohnerzahl war innerhalb weniger Jahrzehnte von knapp 800 auf 6000 gestiegen, das Kurhotel des „Neuner“, also des Mineralbads Berg, erfreute sich großer Beliebtheit, in den Sommermonaten spielte dort sogar ein Kurtheater. Und es gab ab 1900 das Ingenieur-Laboratorium.

 

Irgendwann in den Jahren 1902/1903 bekam dort ein junger Praktikant aus Österreich Einblicke in das Ingenieurwesen. Er stammte ursprünglich aus Klagenfurt, hatte Maschinenbau in Brünn studiert und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Dampfkesselforscher Carl von Bach an die Technische Hochschule Stuttgart gekommen. Der junge Mann namens Robert Musil war aber nicht nur Ingenieur, sondern schrieb auch gerne. Und wesentliche Teile seines ersten und bis heute bekannten Romans „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ hat er in Stuttgart, wenn nicht sogar in Berg geschrieben.

Diese und viele andere kleine Geschichten sind in dem gerade neu aufgelegten und erweiterten Buch „Der Stuttgarter Osten um 1900“ zu entdecken, das der Historiker Ulrich Gohl mit kurzen Texten und vielen historischen Bildern zusammengestellt hat und vom Museumsverein Stuttgart Ost (Muse-O) herausgegeben wird.

In der erweiterten Neuauflage sind viele neue alte Bilder zu entdecken

Von dem einstigen Ingenieur-Laboratorium in Berg ist heute nichts mehr zu sehen, genauso wenig wie von dem damals ansehnlichen Unterkunftshaus am Spielplatz im Stadtteil Stöckach. Das stand in etwa dort, wo heute die Gebäude der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) stehen, also hinter dem Zeppelin-Gymnasium. An dieser Stelle hatte der Verschönerungsverein im Jahr 1888 die erste und – in den damals noch öfter kalten Wintern – auch sehr beliebte Stuttgarter Eisbahn angelegt. In den warmen Monaten wurde auf dem Platz Ball gespielt – und genau dort entstand im Jahr 1893 der Fußballverein Stuttgart. Dieser FV war einer der Vorläufervereine des VfB Stuttgart, übrig geblieben ist das 1893, das im Namen des VfB und in den Sprechchören der Fans verewigt ist.

In der erweiterten Neuauflage des 79-seitigen, fest eingebundenen Buches sind viele andere neue alte Bilder zu entdecken: vom Küchenpersonal der Bergkaserne, aufgenommen vom Hoffotografen Alfred Hirrlinger; von der einstigen großen Gärtnerei Rebhorn direkt beim Gaisburger Friedhof; von der Kürschnerei Enssle am unteren Klingenbach bei der heutigen Talstraße oder von der einstigen Schlossbrauerei in Gablenberg an der Schlösslestraße.

Gebaut wurde damals auch, beispielsweise 1913/1914 die Wagenburgschule nach den Plänen des Architekten Martin Elsässer, nach dessen Entwürfen unter anderem auch die Stuttgarter Markthalle und die evangelische Gaisburger Kirche errichtet wurden. Ein Foto aus dem Jahr 1914 zeigt die Pflasterer im Hof der damals neuen Schule. Heute, mehr als 100 Jahre später, ist das Wagenburg-Gymnasium wieder Großbaustelle – und wird generalsaniert.

Ulrich Gohl: Der Stuttgarter Osten um 1900. Herausgegeben von MUSE-O, Band 12 der Reihe „Hefte zum Stuttgarter Osten“. Fest gebunden, 79 Seiten, 68 historische Aufnahmen. 16 Euro. ISBN 978-3-925440-47-2.