Mit ihrer neuen Musicalproduktion hofft Torsten Molls New Stage Company, über Geislingen hinaus Erfolg zu haben. Die Chancen dafür stehen gut. Verhandlungen mit einer Musicalmetropole im Ausland laufen.

Geislingen - Geislingen – eine Musicalstadt? Kein Witz. Kaum hatte der Kartenvorverkauf für „Dracula“ begonnen, waren die ursprünglich geplanten acht Aufführungen auch schon ausverkauft. Deshalb gibt es nun 18. Wie holt man das Musical in die Provinz? „Mit harter Arbeit und Glück“, sagt Torsten Moll, der Leiter der New Stage Company, der das Stück für sein Theater im Sägewerk produziert, inszeniert und choreografiert hat.

 
Herr Moll, Sie haben auf der Bühne große Erfolge gefeiert, sind bei großen Musicalproduktionen dabei gewesen, der Europapremiere von „South Pacific“ etwa. Was hat Sie nach Geislingen zurückgezogen?
Ich bin in Geislingen geboren und in Kuchen aufgewachsen, und ich bin ein sehr großer Familienmensch. Ich habe während eines Engagements meine Großeltern verloren. Als erster Tanzsolist in Hildesheim war es ein Problem, zur Beerdigung zu kommen. Das war hart. Ich muss wissen, dass es meinen Lieben gut geht, und ich wollte noch etwas von meinen Eltern haben. Sie haben mich immer unterstützt, es sind die großartigsten Eltern.
Ist Ihnen der Abschied von der Bühne schwergefallen? Sie haben schließlich mit prominenten Künstlern zusammengearbeitet, in „Tanz der Vampire“ sogar mit dem Regisseur Roman Polanski.
Überhaupt nicht. Ich habe sehr jung alles erreicht, was man erreichen kann. Ich war bereits mit 18 Jahren fest am Theater, mit 19 war ich diplomierter Bühnentänzer. Ein Engagement folgte dem anderen. Bevor ich nach Geislingen zurückkehrte, hatte ich in mehr als 50 Produktionen gespielt und allein in „Tanz der Vampire“ schon 600 Shows gemacht. Da stellte sich die Frage, was noch kommen sollte.
Und was sollte kommen?
Eine Musical- und Ballettschule in Geislingen. Die Kollegen hielten mich für verrückt. Ausgerechnet Geislingen. Ich hatte Schulen in Hamburg und München angeboten bekommen.
Sie haben in einem stundenweise gemieteten Raum eines Sportstudios in Geislingen angefangen. Wie war das?
Ich hatte keinen einzigen Schüler, ich fing bei Null an. Das war 2004, und es war mir klar, dass das schiefgehen konnte. Doch es ging gut. Ich mietete dann ein ganz altes Haus, später ein großes Fabrikloft. Das war optisch sehr schön, aber ein leichtes Desaster, weil es reinregnete. Dort eröffneten wir auch das College. Das ist die Berufsausbildung für Musiktheater mit dem Abschluss Musicaldarsteller.
Dann entdeckten Sie das alte Sägewerk am Stadtausgang in Richtung Ulm. Welche Perspektiven eröffnete es Ihnen?
Das hier bietet alles, ich war gleich sehr verliebt in diesen Platz. Wir haben hier vor vier Jahren das Zentrum für darstellende Kunst mit dem Theater im Sägewerk eröffnet. Und es ermöglicht mir, in den Wintermonaten zusammen mit internationalen Stars im Kaminzimmer des Theaters eine Reihe von Konzerten zu singen. Das erfüllt mich als Künstler sehr und macht mir große Freude.
Der ideale Platz alleine reicht nicht, man muss ihn auch mit Leben füllen, um Erfolg zu haben. Wie haben Sie das geschafft?
Ich bin der festen Überzeugung, dass du nichts zu befürchten hast, wenn du gut arbeitest. Die Leute mögen Qualität. Das kann ich, und Qualität ist nicht an die Großstadt gebunden. Der zweite Faktor ist Glück. Ohne Glück geht es nicht.
Sie haben in Geislingen schon große Produktionen auf die Beine gestellt, zuletzt „Anatevka“, davor „Hair“, jetzt „Dracula“.
Bei der Auswahl der Stücke ist das Bauchgefühl wichtig. Außerdem schaue ich, dass es Abwechslung gibt. „Dracula“ ist eines meiner Lieblingsstücke. Es ist eine der schönsten Liebesgeschichten. Ich habe unheimlich viel darüber recherchiert und gelesen. Ich möchte es so original wie möglich auf die Bühne bringen. (Er lacht.) So viel kann ich jetzt schon verraten, unser Dracula ist jünger und erotischer. Und wir haben diesmal eine Liveband dabei. Der Dirigent ist Adrian Werum.
Der Gründer des Orchesters der Kulturen?
Genau der. Adrian kenne ich schon seit vielen Jahren. Er ist der perfekte Mann für „Dracula“, er war der musikalische Leiter bei „Tanz der Vampire“, als ich dort spielen durfte. Er ist ein Ausnahmemusiker, der zuletzt mit dem Golden Mask Award in Russland in der Kategorie bestes neues Musical ausgezeichnet wurde. Zudem kennt er den Stil des „Dracula“-Komponisten Frank Wildhorn sehr gut. Die beiden haben schon viel miteinander gearbeitet.
Außerdem konnten Sie diesmal Topstars engagieren. Verraten Sie Namen?
Rebecca Soumagné, sie war zuletzt im Raimundtheater in Wien zu sehen, der Cross-over-Sänger Nico Müller von Adoro und Robert David Marx, der unter anderem in „Tanz der Vampire“ als Graf von Krolock in Wien und Berlin auf der Bühne stand.
Wie konnten Sie diese Künstler ins kleine Geislingen locken?
Wir hatten das Musical international ausgeschrieben, viele bewarben sich, weil wir uns in den vergangenen Jahren mit dem Musicaltheater einen guten Namen machen und den Musicalsommer in Geislingen gut etablieren konnten. Wir suchten die Besten aus.
Neben diesen Stars stehen auch Studenten Ihres Colleges und Amateurdarsteller auf der Bühne. Wie schweißt man eine so bunte Truppe zusammen?
Der Anspruch ist hoch. Das Ergebnis muss professionell sein, darunter mache ich es nicht. Die Studenten und Amateurdarsteller müssen den Topleuten standhalten und erblühen. Zwei unserer Schüler spielen im Übrigen eine Hauptrolle. Wir haben einen Jahrgang, der für diese Show prädestiniert ist. Ich habe die passenden Darsteller im Haus. Und außerdem: Irgendwo müssen sie Erfahrungen sammeln können.
Wie viele Studenten besuchen das College?
Derzeit sind es fünf. Wir heben uns von den Massenproduktionsstätten ab. Die Ballett- und Musicalschule besuchen 100 bis 150 Schülerinnen und Schüler.
Sie sehen sich vor allem als Lehrer?
Ich habe das große Glück, vielseitig zu sein. Ich arbeite gleichermaßen als Lehrer, künstlerischer Leiter und Darsteller. Ich habe da ein ausgewogenes Verhältnis für mich gefunden, das mich erfüllt. Ich selbst hatte einen Lehrer, der mich zum Solisten gemacht hat und dem ich unendlich dankbar dafür bin: Yener Durukan. Er ist der eigentliche Star hinter Torsten Moll, mein absolutes Vorbild. Leider ist er im vergangenen Jahr gestorben. Er war Trainingsleiter am Theater in Hildesheim. Ich denke oft an ihn. Stars werden nicht geboren. Er hat mir dieses Leben im großen Rampenlicht ermöglicht und mir viel beigebracht. Ich versuche, für meine Studenten zu sein, was er für mich war.
Inzwischen hat eine Musicalmetropole im Ausland Interesse an Ihrer „Dracula“-Produktion bekundet. Was bedeutet Ihnen das?
Wir hoffen, dass die Verhandlungen gut laufen. Das ist ein Traum, der sich erfüllen kann. Die Vorstellung, dass eine Produktion aus Geislingen in eine Großstadt geholt wird, finde ich besonders reizvoll.
Doch bevor Sie „Dracula“ anderswo zeigen, gibt es 18 Vorstellungen in Geislingen?
Das stimmt, ursprünglich waren acht Aufführungen geplant. Die waren sofort ausverkauft. Unser Publikum kommt nicht nur aus der Region, sondern von überall her, aus Luxemburg oder Österreich etwa.
Was ist im nächsten Jahr geplant?
Die nächste Produktion ist eigentlich schon fertig. Im Programmheft für „Dracula“ wird schon dafür geworben.
Sie choreografieren die Stücke selbst und führen auch Regie?
Ja, das ist eine Begabung, die man nicht lernen kann. Ich werde oft gefragt, wie kriegst du diese Bilder. Ich sehe das einfach, das kann man nicht erklären, es ist einfach da.
Verraten Sie, welches Stück Sie 2019 zeigen?
Nur so viel: Es wird viel Haut und wenig Stoff geben. Die ersten Verhandlungen mit internationalen Kollegen laufen bereits, und ich kann jetzt schon versichern, dass wir wieder herausragende Künstler und Stars hier auf der Bühne haben werden.

Ein vielseitiger Künstler

Seit er zwölf Jahre alt ist, steht Torsten Moll (40) auf der Bühne. Der gebürtige Geislinger ist ein vielseitiger Künstler. Er singt und tanzt nicht nur, er arbeitet auch als Choreograf und Regisseur. Nach der Schule absolvierte er von 1995 bis 1996 eine Ausbildung an der Musicalschule New Line in Hannover. Es folgte ein Studium für Bühnentanz an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover, das er als Diplom-Bühnentänzer abschloss. Er war in vielen großen Produktionen zu sehen, etwa in „Tanz der Vampire“, „Elisabeth“ und „Hair“. Vor 14 Jahren eröffnete er die New Stage Company in Geislingen. Später kam ein College für angehende Musicaldarsteller dazu. 2014 hat die Ballett- und Musicalschule im alten Sägewerk im Rorgensteig eine Heimat gefunden. Dort eröffnete Moll auch das Theater im Sägewerk.

Das Musical „Dracula“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des irischen Schriftstellers Bram Stoker. Er verarbeitete darin die Legende des rumänischen Fürsten Vlad III. Drakulea. Die Musik für das Musical stammt aus der Feder des amerikanischen Komponisten Frank Wildhorn.

Das Theater im Sägewerk zeigt 18 Vorstellungen des Musicals „Dracula“. Karten gibt es noch für die Aufführungen am 29. April, am 4. Mai, am 10. und 15. Juni sowie am 6., 7. und 8. Juli. Die Tickets können auf der Homepage des Theaters im Sägewerk oder unter der Telefonnummer 0 73 31 / 98 68 89 gebucht werden. Das Kartentelefon ist montags und dienstags von 15 bis 19 Uhr sowie mittwochs von 13.30 bis 18.30 Uhr besetzt.