In drei Monaten feiert das Musical „Rocky“ in Stuttgart Premiere. Der Umzug aus Hamburg ist ein Kraftakt – in jeglicher Hinsicht.
Stuttgart - Eine Stunde haben die Darsteller am Mittwochabend Zeit sich zu verabschieden. Von der Bühne, von den Requisiten, von dem Theater. Eine Stunde nachdem am 19. August der letzte Vorhang für das Musical „Rocky“ im Hamburger Tui Operettenhaus gefallen ist, wird Martin Siebler mit den Umzugshelfern anrücken und damit anfangen, die Bühne abzubauen. „Wir werden schon während der Show damit beginnen all das zu verstauen, was im Laufe der weiteren Vorführung nicht mehr gebraucht wird“, sagt Siebler, während er durch den Backstage-Bereich des Operettenhauses läuft. Seit über zehn Jahren koordiniert Martin Siebler Musical-Umzüge und ist als Technical Supervisor für den Aufbau der „Rocky“-Bühne in Stuttgart zuständig. „Früher haben wir direkt nach der letzten Show angefangen abzubauen“, sagt er. „Jetzt halten wir uns zurück und geben allen eine Stunde Zeit zur Verabschiedung.“
Die Premiere von „Rocky“ findet am 11. November statt
Knapp drei Jahre war das Musical um den Boxer Rocky Balboa, das auf dem gleichnamigen Film basiert, im Theater an der Hamburger Reeperbahn zu sehen. Vor einem halben Jahr wurde bekannt, dass es in Stuttgart das Musical „Chicago“ ablösen würde. Die Premiere für „Rocky“ im Stage Palladium Theater ist für den 11. November angesetzt.
In der Theorie bleiben der Crew also drei Monate für den Umzug. Das klingt fast entspannt. In der Praxis allerdings muss mindestens ein Monat vom Zeitplan abgezogen werden, da das Musical „Chicago“ erst am 17. September seine Dernière begeht. „Es ist eine logistische Herausforderung“, sagt Martin Siebler. Auf die Frage, wie viele Excel-Tabellen er in den vergangenen Monaten erstellt hat, winkt er nur ab. Als „Rocky“ im Herbst 2012 in das Operettenhaus einzog, war Siebler auch schon dabei. „Auch das war schon eine große Herausforderung“, erinnert er sich.
Wer das Stück gesehen hat, bekommt zumindest eine kleine Ahnung davon, welche wichtige Aufgabe den Mitarbeitern hinter der Bühne zukommt. Fast minütlich ändert sich das Bühnenbild, neue Räume kommen hineingefahren, Rinderhälften in einer Metzgerei schweben von der Decke. Das alles läuft vollautomatisch – und muss in Stuttgart auch wieder funktionieren.
Der Boxring als wahres Multitalent
Ein paar Änderungen wird es allerdings geben, sagt Christoph Drewitz, der Künstlerische Leiter des Musicals: „Wir haben sowohl dramaturgisch als auch an den Liedern einiges geändert.“ Die Grundidee wird aber bestehen bleiben – genauso wie der Boxring, der den Mittelpunkt der Show bildet. Dabei wird in ihm gar nicht so häufig geboxt, wie man vielleicht denken würde. Der Boxring ist ein wahres Multitalent: Mal dient der Boden als Dach für Rockys Wohnung, mal verwandelt er das ganze Theater in eine riesige Boxarena, in der sich der Boxring um sich selbst dreht.
Gerade diese Vielfalt macht die Show für die Zuschauer spannend und aufregend – den Umzug und die Logistik dahinter dafür aber umso komplizierter. Zumal in Hamburg alles durch ein Tor passen muss, dass gerade einmal sechs Meter hoch und nur drei Meter breit ist. „Alles was da zunächst nicht durchpasst, muss so auseinandergebaut werden, dass es letztendlich doch passen wird“, sagt Siebler. Der Boxring wird erst zum Schluss aus dem Theater transportiert. Zuvor müssen noch die Traversen abgebaut werden.
In Stuttgart muss der Bühnenboden verstärkt werden
Martin Siebler zeigt auf die großen Stahlträger, an denen die Technik befestigt ist. Eine Menge Kabel laufen dort entlang, Ton und Lichter sind auch daran befestigt. Das alles wiegt so viel – nämlich 100 Tonnen –, dass in Hamburg sogar der Bühnenboden verstärkt werden musste. Auch im Stage Palladium Theater wird das passieren. „Wir beginnen schon bald damit, den Boden in Stuttgart statisch zu verändern“, sagt Siebler. Konkret bedeutet das, dass die Musicalbühne einen neuen Unterbau bekommen wird. Damit soll schon begonnen werden, während noch die letzten Vorstellungen von „Chicago“ gespielt werden.
Insgesamt vier Tage hat man in Hamburg Zeit, die 32 Lastwagen zu beladen, die für den Umzug bereit stehen. 16 Mitarbeiter werden das rund um die Uhr erledigen. „Kleinere Sachen kommen direkt nach Stuttgart, einige Requisiten müssen umgebaut, verlängert, verkürzt und angepasst werden, manches wird auch für einige Wochen eingelagert“, sagt Siebler. Der großartige Rocky-Darsteller Drew Sarich zieht leider nicht mit nach Stuttgart – zweifellos ein Verlust für das hiesige Publikum.
Von Hollywood auf die Musical-Bühne
Der Film war im Jahr 1976 ein Überraschungserfolg an den Kinokassen und gewann im Folgejahr drei Oscars. Er begründete eine Filmreihe mit bisher insgesamt sechs Rocky-Filmen. Sylvester Stallone spielte in allen Filmen die Hauptrolle des Boxers Rocky Balboa und schrieb außerdem die Drehbücher.
Das Musical ist die erste deutsche Produktion, die es an den Broadway nach New York schaffte. Es wurde im vergangenen Jahr von März bis August dort aufgeführt. Die Weltpremiere fand am 18. November in Hamburg statt und wird dort am 19. August eingestellt – nach insgesamt 1130 Aufführungen.
Die neue Spielstätte wird ab dem 11. November das Stage Palladium Theater sein. Noch bis zum 17. September ist dort „Chicago“ zu sehen. Das Musical hat sich gerade einmal ein Jahr in Stuttgart halten können. Wie lange „Rocky“ durchhält, ist nicht klar.Es ist zunächst für eine Spielzeit angesetzt