Das Musical „Sister Act“, das seit Sonntag im SI-Centrum zu sehen ist, begeistert zweieinhalb Stunden lang mit schmissiger Musik und tollen Darstellern. Und ganz nebenbei beantwortet es die Frage, was wichtig ist im Leben.

Stuttgart - Es rockt zwar nicht gerade wie bei den Stones, wie der vom neuen Gesangsstil des Klosterchors höchst entzückte Monsignore O’Hara (Anton Rattinger) schwärmt, allein schon weil nicht die für die Rockurgesteine typischen harten Beats hämmern. Aber es swingt und groovt schmissig und mitreißend im Apollo Theater, auf satten Bläserklängen und voll tönendem Gospelchorgesang getragen vom Soul, mal im lässigen Philly-Sound, dann wieder mischen Funk, Rap und Disco mit, wenn im Musical „Sister Act“ die braven Nonnen ihre schwarzen Habits gegen Glitzerkutten tauschen.

 

Die Stage Entertainment hat diese Produktion jetzt von Hamburg nach Stuttgart geholt, wo die flotte Komödie das Stück „Ich war noch niemals in New York“ ablöst. Am Samstag bei der Medienpremiere – auch Grundlage dieser Kritik – hatte man den Eindruck, dass der Genrewechsel beim Publikum bestens ankommt.

Gegen den Willen der Oberin wird der Chor in Form gebracht

Das Musical „Sister Act“ basiert auf dem gleichnamigen Film mit Whoopi Goldberg und erzählt von der mäßig erfolgreichen Sängerin Deloris van Cartier. Die muss ihre Ambitionen, aus den Niederungen von Auftritten in Nachtclubs zu einem Star à la Donna Summer aufzusteigen, hintanstellen, weil sie unfreiwillig Zeugin eines Mordes wird. Um nicht in die Hände des Gangsterbosses Curtis Jackson zu geraten, versteckt die Polizei sie in einem Nonnenkloster. Dort richtet sie, dem Willen der gestrengen Mutter Oberin zum Trotz, ihren Ehrgeiz darauf, den verstimmten Klosterchor nach ihren Vorstellungen in Form zu bringen.

Dass die Geschichte eigentlich ziemlich abstrus ist, die Komödienzufälle arg vorhersehbar schalten und walten, in Buch und Liedtexten – zumindest in der deutschen Übersetzung – statt geistreichem Esprit Kalauer, derb Umgangssprachliches und eintöniges Paarreimschema dominieren, diese Mankos werden nach und nach hinweggefegt vom Tempo und Pep des Geschehens auf der Bühne, vor allem jedoch von der Musik. Vom Soulfieber ist am Ende der zweieinhalb unterhaltsamen Stunden nicht nur die Mutter Oberin infiziert, sondern auch die zu Beginn eher skeptisch eingestellte Rezensentin.

Das Ensemble ist das Pfund der Stuttgarter Inszenierung

Die Soul ebenso wie klassischen Musicalklang einbindende, eigens für „Sister Act“ kreierte Musik stammt von Alan Menken, Komponist zahlreicher Disneyfilmsoundtracks sowie Bühnenmusiken. Wer seine musikalische Sozialisation in den 1970er und frühen 1980ern erfahren hat, kann – auch dank manchem augenzwinkernd eingeflochtenem musikalischem Zitat – in Erinnerungen schwelgen, Jüngeren gefällt es vermutlich genauso. Die reinen Musicalsongs dagegen klingen, bis auf die eine oder andere Ballade, leider genauso wenig markant wie in den meisten Musicals aus jüngerer Zeit.

Als Pfund der Stuttgarter Inszenierung (Regie: Carline Brouwer) erweist sich das Ensemble, allen voran Zodwa Selele (bereits die Hamburger Erstbesetzung) als Deloris van Cartier. Mit energievollem Spiel, Charme und vor allem kraftvoll-schöner Soulstimme verkörpert sie die jede(n) um ihren Finger wickelnde lebenslustige Sängerin, die doch das Herz auf dem richtigen Fleck hat. Überhaupt wird an diesem Abend durchweg gut gesungen und gespielt. Das in bestem Big-Band-Sound swingende Orchester leitet Bernd Steixner.

Die Selbstironie der Darsteller tut Figuren gut

Die zweite tragende Figur neben Deloris ist die Mutter Oberin. Mit trockenem Humor gibt Karin Schroeder in der Rolle der zwischen kirchenkonformer Strenge und verständnisvoller Milde schwankenden Klosterleiterin dem allzu weltlichen Ansinnen ihres neuen Schützlings Kontra („Bei uns raucht’s nur bei der Papstwahl“). Charmant, liebevoll und mit einer Prise Selbstironie gestalten auch die anderen Darsteller ihre Rollen aus, was den nicht eben psychologisch differenziert gezeichneten Charakteren gut bekommt. So wenn der schüchterne, von seinem Jugendschwarm Deloris belächelte Polizist Eddie Fritzinger (Gino Emnes) den Lionel Ritchie in sich entdeckt und eine hinreißende Soulnummer auf die Bühne zaubert oder die nicht besonders hellen Gangstergehilfen Joey (Benjamin Eberling), TJ (Luigi Scarano) und Erkan (Fehmi Göklü) in Gedanken daran, wie sie die Nonnen verführen könnten, zu hüftkreisenden Discotigern mutieren.

Ganz köstlich und unwiderstehlich komisch geben Madeleine Lauw (Schwester Mary Robert), Sonja Atlas als Mary Patrick und Regina Verus (Mary Lazarus) die flugs der subversiven Anziehungskraft von Deloris und der Soulmusik verfallenden Nonnen.

Passend zum Drive der Musik hat Anthony van Laast die Choreografie für die Showauftritte des Nonnenchors entwickelt, die Hand- und Armbewegungen schwungvoll in den Vordergrund rückt. Zum Schlusschor flackern gar die Kirchenfenster (Bühne: Klara Zieglerova) im Rhythmus des Soulsounds, die Geschichte findet ihr Happy End und hat sogar noch die schlichte, aber wahre Botschaft zu verkünden: dass letztlich Solidarität und Freundschaft zählen im Leben und ein echter Star keine Bühne braucht, sondern von innen, vom Herzen her, strahlt.