Im Studiotheater ist jetzt ein Musical zur Stuttgart 21 zu sehen. Christof Küsters Revue entkleidet die Schlichtung ihres gewaltigen Ernstes.
 

Stuttgart - Ach, Frau Gönner. Wie schön, dass Sie mit Herrn Palmer aus Tübingen tanzen, richtig paartanzen. Sie lächeln dabei wie befreit. Allerdings nur im Musikal „Die Schlichtung“ auf der Bühne des Studiotheaters. Und in diesem Moment blitzt ein Moment des Utopischen auf, die Vorstellung, Stuttgart-21-Gegner und –befürworter lägen sich in eitel Harmonie in den Armen. Aber das geht ja gar nicht, stattdessen herrscht eisiges Gegeneinander. Im Studiotheater aber ist diese Konfrontation schlichtweg lustig. Und das, obgleich Christof Küster, Regisseur und Autor des Musicals, in seinem Stück vor allem Originalzitate aus den Schlichtungsprotokollen verwendet. Das klingt dann so: „Also wir beplanen (beplanen, nicht planen! – C.B.) , wie diese Infrastruktur optimal befahren werden kann.“ Sagt Bahnvorstand Volker Kefer. Sebastian Schäfer mit Lesebrille auf Halbmast, weich-suggestiver Stimme und selbstgewissem Dauergrinsen spielt den Zug-Technokraten derart „echt“, dass man sich gar nicht im Theater glaubt.

 

Alle Akteure sind in Bahn-Aufmachung eingekleidet

Die 72 Stunden zäher Schlichtung hat Christof Küster auf zweieinhalb amüsante Stunden eingedampft. Auf der winzigen Bühne hat Maria Martinez Pena (Ausstattung) sieben thronartige Kuben platziert, auf denen die sieben Schauspieler sitzen und über zwanzig Schlichtungskontrahenten mimen. Manchmal stehen sie auch dozierend oder eifernd hinter den grauen Kästen. Mittig hockt Heiner Geißler, verkörpert von Miklós Horváth, der wunderbar den sympathischen Singsang Geißlers mit dessen Vorliebe für „nich wahr?“ trifft. Alle sieben Akteure sind in Bahn-Aufmachung eingekleidet. Man trägt knallrote Schirmmützen und Uniformjacken mit Goldknöpfen, und selbst Schlichtungs-Papa Geißler hat ein Bahnjäckle an, stilvoll in Schwarz. Eine schöne Idee der Kostümbildnerin Pena, denn dadurch wird suggeriert, sämtliche K- beziehungsweise S-21-Besessenen wären eisenbahninfiziert, auf welche Weise auch immer. Und in der Tat hatte ja jenes seltsamerweise „Schlichtung“ genannte Sich-Beharken etwas eigenartig Obsessives auf beiden Seiten.

Im Studiotheater klebt Tanja Gönner im grauen Faltenrock (wundervoll mit gepresster Stimme und dauerbeleidigter Miene: Natalie Maria Fischer) Märklin-Schienen an die Wand. Die Infantilisierung des gewaltigen Schienenprojekts gehört zu den netten Details dieser Inszenierung. Putzig auch, wenn der poltrig-hysterische Boris Palmer (Boris Rosenberger) eine knuffige kleine S-Bahn in einen hölzernen Spielzeugtunnel zu pressen versucht und damit demonstriert, das Letzterer einfach zu eng ist. Das Pathetische des Bahnhofstreits wird hier einfach mal ein bisschen verkleinert, und das ist gut so.