Den Kepler-Chorverband gibt es seit 75 Jahren. Dieses Jubiläum wird mit einer besonderen Aufführung in der Stadthalle Leonberg gefeiert.

Alle Geister kommen bitte mal nach vorne“, ruft der Regisseur Maximilian Ponader in die Runde. Die Proben für das Musicalprojekt „Somnium“ des Chorverbands Johannes Kepler sind in vollem Gange. In der Aula des Schulzentrums in Weil der Stadt üben Chöre und Solisten für die Aufführungen Ende November in der Stadthalle Leonberg.

 

Die Geister sind die Sängerinnen und Sänger des El’Chors Höfingen, die in der Aufführung den „Chor der Geister“ darstellen. Aus der Chorvereinigung Weil der Stadt hat sich der Chor „Volk von Thule“ gebildet, mit beiden Gruppen zusammen stehen rund 50 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne. Mit ihnen erlebt das Publikum in „Somnium“ eine fantasievolle Reise zum Mond.

Zum Mond mithilfe von Geistern und weißer Magie

Die Grundlage für das Musical lieferte kein Geringerer als Johannes Kepler, dessen 450. Geburtstag 2021 mit Veranstaltungen in diesem Jahr gewürdigt wird. Er hatte sich als Wissenschaftler sein Leben lang mit den Gestirnen befasst. Doch der Astronom hatte auch Fantasie, denn mit der Geschichte „Somnium“ – der Traum –, die er 1609 auf Latein begonnen hat, lieferte er mit einer fantastischen Reise zum Mond so etwas wie ein frühes Science-Fiction-Werk. Die Protagonisten sind Duracoto, der das Alter Ego von Kepler sein könnte, und dessen Mutter Fiolxhilde, eine Zauberin, damals vielleicht sogar als Hexe bezeichnet.

Mit dieser Figur erinnert er an seine Mutter Katharina, die in Leonberg der Hexerei angeklagt und nur durch das Eingreifen ihres berühmten Sohnes vor dem Scheiterhaufen bewahrt wurde. Auch der Astronom Tycho Brahe, mit dem Kepler zusammengearbeitet hat, taucht in Somnium auf. Mithilfe von Geistern und weißer Magie von Fiolxhilde gelangen Duracoto und – im Musical – das Volk von Thule auf den Mond.

Regisseur reist extra aus Hamburg an

„Das Volk von Thule repräsentiert unsere Gesellschaft, die trotz ihrer anfänglichen Ängste mit der Kraft der Fantasie etwas Besonderes erlebt“, erklärt Maximilian Ponader seine Interpretation des Kepler-Werks. Der Hamburger Musiktheaterregisseur, Schauspieler und Komponist hat „Somnium“ als Auftragsarbeit des Kepler-Chorverbands als Musical neu interpretiert, das Buch, die Texte und die Musik geschrieben und führt selbst Regie. An mehreren Wochenenden reist er zu Proben aus Hamburg an.

Außerdem studieren die beiden Chöre, bei denen auch Projektsänger anderer Chöre mitmachen, wöchentlich ihre rund ein Dutzend Stücke ein. Als Solistin ist die Verbandschorleiterin Wiebke Huhs in der Rolle der Fiolxhilde dabei, den Duracoto verkörpert der Bariton Hannes Nedele. Begleitet werden die Sängerinnen und Sänger von einem Orchester mit neun Musikern, unter ihnen auch Mitglieder des Leonberger Sinfonieorchesters. Insgesamt werden in der 100-minütigen Aufführung 26 Musiktitel gespielt.

Auf der Bühne wird nicht nur gesungen, sondern auch getanzt – „von Hip-Hop bis zu klassischem Ballett“, wie Angelika Puritscher, die Präsidentin des Kepler-Chorverbands, erklärt. Rund 40 Aktive der Weil der Städter Tanzschule Gymnastica werden die Bühne mit ihren Tänzen rocken.

Musical kostet rund 50 000 Euro

„Der Regisseur ist echt genial“, lobt Angelika Puritscher. Im ersten Akt habe er sich eng an den Kepler-Text gehalten, im zweiten Akt passt er sich dem Heute an, erzählt von Liebe, Freiheit, Neugier und Fantasie, so Puritscher, die selbst im Höfinger El’chor mitsingt und von den „melodiösen Stücken mit Ohrwurmcharakter“ schwärmt. „Wir sind mit dieser Fassung Pioniere, so hat es bisher keiner umgesetzt“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir wollen mit dem Musical etwas Bleibendes schaffen.“

Ein solches Großprojekt mit mehr als 100 Mitwirkenden gibt es nicht zum Null-Tarif. Mit Kosten in Höhe von rund 50 000 Euro rechnen die Verantwortlichen. Ohne eine Zusage über 15 000 Euro an Fördermitteln aus dem Programm „Neustart Kultur“ des Bundesmusikverbands hätte man nicht starten können. Auch Spenden – unter anderem von der Kreissparkasse Böblingen – gab es schon.

Auf dem Portal der Volksbank Leonberg-Strohgäu „Viele schaffen mehr“ gibt es einen Spendenaufruf des Chorverbands. „Wir kalkulieren mit 800 verkauften Tickets“, sagt die Verbands-Vorsitzende. „Wenn wir das nicht schaffen, brauchen wir dringend das Geld aus dem Crowdfunding“. Es sei durchaus ein finanzielles Risiko, „aber wir wagen es.“

Der Ticket-Verkauf ist bereits gestartet. Karten für die beiden Aufführungen am 26. und 27. November gibt es bei der Stadthalle Leonberg und online unter www.reservix.de.