Grundschüler spielen das Musiktheaterstück Theo, der Papierpanther. Beim Projekt an der Friedensschule sind auch Musikpädagogen der Musikschule Unteres Remstal mit dabei.

Waiblingen - Seid ihr bereit?“ ruft Melanie Jackson den Kindern zu. Na klar. Aufgereiht wie am Schnürchen sitzen die 14 Erstklässler im Musiksaal der Friedensschule in Waiblingen-Neustadt parat. Jedes Kind hat ein Stück Papier vor sich liegen, genauer: eine Zeitungsseite. Normalerweise wären die Blätter wohl schon längst im Altpapiercontainer gelandet, doch nun zeigen die Mädels und Jungs, welche Töne man mit so einem ausgemusterten Stück Papier erzeugen kann.

 

Selbsterdachte Gräuschcollage

Sachte, ganz sachte, tippen sie mit den Fingerspitzen darauf – ein Geräusch wie von feinen Regentropfen ertönt. Nach einem heftigen Platzregen klingt es, wenn die Handflächen mit Schmackes auf das Papier klatschen. Der Regen geht in Schnee über, sobald die Hände kreuz und quer übers Blatt streichen. Und dann kommt auch noch starker Wind auf – 14 Zeitungsseiten wirbeln durch die Luft des Musiksaals, dass es nur so rauscht. „Diese Geräuschcollage haben die Kinder sich selbst ausgedacht“, erzählt dazu Melanie Jackson: „Wir haben viel mit Papier gearbeitet, uns überlegt, wie es sich anfühlt und welche Geräusche man damit machen kann.“

Jeden Montagvormittag kommt die 32-jährige Medien- und Musikpädagogin in die Friedensschule, dann steht für die Erstklässler rhythmisches Klassenmusizieren auf dem Stundenplan. Die Besonderheit: Melanie Jackson und ihre Kolleginnen Monika Simmel und Maren Weber, die die Klassenstufen 2 und 3 in Rhythmik unterrichten, gehören nicht zum Kollegium der Friedensschule, sondern sind Mitarbeiter der Musikschule Unteres Remstal und haben eine spezielle Ausbildung.

Die beiden Bildungseinrichtungen kooperieren seit mehreren Jahren, ein Resultat der Zusammenarbeit ist Mitte März bei zwei Veranstaltungen im Bürgerzentrum Waiblingen zu sehen: Dort führen fast 200 Kinder und Erwachsene das Musiktheater „Theo, der Papierpanther“ auf. Es erzählt die Geschichte einer ganz besonderen Großkatze, denn Theo ernährt sich nicht von Fleisch, sondern verspeist am liebsten schöne Wörter. Auf der Bühne erscheint er als riesige Figur, die von vier Kindern getragen und bewegt wird. Ein Erzähler schildert die Geschichte in Worten. Und auch die von den Erstklässlern erarbeitete Geräuschcollage mit alten Zeitungen wird im Ghibellinensaal zu hören sein.

Mehr als ein Jahr Vorbereitung für den Auftritt

Seit mehr als einem Jahr planen und arbeiten die Beteiligten an dem Stück, bei dem neben den Grundschülern der Friedensschule auch Kinder der Haldenschule in Kernen-Rommelshausen mitmachen. Die Viertklässler kümmern sich um Kostüme und Requisiten, die dritte Jahrgangsstufe bildet den Chor, die Zweit- und Erstklässler zeigen, was sie im Rhythmikuntericht gelernt haben. „Es geht weniger ums Tanzen, sondern darum, Bilder im Kopf entstehen zu lassen“, sagt Melanie Jackson über ihren Unterricht – Dinge würden durch Bewegungen, Gesten und Gruppenaufstellungen dargestellt. Mal schlüpfen die Kinder in die Rolle eines Fischschwarms, schwänzeln, schwimmen und schlängeln sich durchs Wasser. Mal werden sie zu Spinnen, die sich in einem riesigen Netz bewegen, das Melanie Jackson zuvor eigens aus mehreren meterlangen Fäden gesponnen hat.

Alles Übungen, die Körpergefühl und Koordination beim Nachwuchs schulen. „Rhythmikunterricht ist auch toll für Kinder, die noch kein Gefühl für den Sprachrhythmus haben“, sagt Melanie Jackson, zum Beispiel wenn deren Muttersprache nicht deutsch ist. Leider seien Musikschullehrer, die wie sie und ihre Kolleginnen an Regelschulen den Unterricht ergänzen, immer noch eine ziemliche Seltenheit. „Solche Riesenprojekte wie den Papierpanther kann man im regulären Unterricht gar nicht stemmen“, sagt Jackson.

Dann drückt sie aufs Knöpfchen des CD-Spielers. Musik erschallt. „Denkt dran: Singen und schreien sind verschiedene Sachen“, sagt Melanie Jackson. Gleich darauf werden aus 14 Erstklässlern 14 hungrige Panther, die ihre Hände mal lautlos-elegant wie Pfoten vor sich in die Luft setzen, mal laut auf ihre Schenkel klatschen lassen. Dazu singen sie aus voller Kehle: „Gäb es keine Wörter mehr, wär mein Magen ziemlich leer. Gute Sätze schmecken mir lecker wie Gebäck.“ Melanie Jackson nickt zufrieden, als der Song vorbei ist: „Das mit dem Verbeugen müssen wir aber noch üben.“