Mit Tan Duns "Water Passion" im Beethovensaal ist das Musikfest zu Ende gegangen. Die Veranstaltungsreihe stand 2011unter dem Motto Wasser.  

Stuttgart - Nun ist's vollbracht: Nach drei aufregenden Wochen, in denen man sich dem Thema Wasser in allen denkbaren Erscheinungsformen und an verschiedensten Orten der Stadt musikalisch genähert hatte, ist das Musikfest Stuttgart mit einer Aufführung von Tan Duns "Water Passion" zu Ende gegangen. Der Bachakademie -Intendant Christian Lorenz wirkte in seiner kurzen Ansprache zu Beginn des gut besuchten, aber keineswegs ausverkauften Konzerts zufrieden mit dem Verlauf.

 

73 Prozent Auslastung seien zwar gut, ließen aber noch Luft nach oben: "Da geht noch was." Vielleicht sind die leeren Reihen beim Abschlusskonzert aber auch schlicht einer gewissen Ermüdung geschuldet. Nach einer derartigen Tour de force durch Wasserspeicher, Schwimmhallen und Neckarschiffe könnte man das durchaus nachvollziehen.

Die "Water Passion" war ja bekanntlich der Abschluss der legendären Passionstetralogie des Musikfests im Jahr 2000, die auch überregional große Wellen schlug. Damals bildete Tan Duns Werk zusammen mit der Passion von Osvaldo Golijov den etwas leichtgewichtigeren Gegenpart zu den strengen Kompositionen von Wolfgang Rihm und Sofia Gubaidulina. Diesmal war Tan Dun beim Musikfest gar Artist in residence und konnte in verschiedenen Konzerten seine Werke vorstellen.

Tan Dun liebt die Show

Die "Water Passion" verkörpert dabei exemplarisch einige der Grundzüge des Tan Dun'schen Komponierens, an erster Stelle seine Eloquenz in der Kombination verschiedenster musikalischer Stile. Asiatische Folklore und gutturaler Obertongesang stehen da neben gregorianisch anmutenden Chorsätzen, meditative Wasserspiele neben plakativen, an Filmmusik erinnernden Klangfolien.

Dazu kommen Techniken der abendländischen Avantgarde und ein ungemein stark ausgeprägtes Bewusstsein für Theatralik. Ja, Tan Dun, der seit vielen Jahren in Amerika lebt, liebt die Show - und das zeigte sich gleich zu Beginn des Abends, als zwei schwarz gewandete Perkussionistinnen im Spotlight mit ihren Instrumenten den abgedunkelten Beethovensaal von hinten durchschritten und mit großen Gesten Töne produzierten, um danach ihre Plätze auf der Bühne einzunehmen. Das erinnerte sehr an einschlägige Esoterikmusikevents.

Auch sonst setzt Tan Dun in seiner in acht Abschnitte geteilten Vertonung der Matthäuspassion auf Effekte: Angesichts der in Kreuzform aufgestellten, von unten illuminierten Wasserbecken könnte man sich noch in einer (schlechten) Aufführung des Wagner'schen "Parsifal" dünken; die verschiedenfarbigen Lichtbäder, in die Choristen und Musiker im Verlauf des Abends immer wieder getaucht wurden, erschienen dagegen als ästhetisch unmotivierter, bloßer Augenreiz.

Wasser als Bindeglied

Das Element Wasser dient dabei als Bindeglied zwischen Ost und West, Buddhismus und Christentum, Reinigung und Taufritus. Tan Dun lässt es plätschern und rauschen, tröpfeln und fließen. Dazu kommt noch ein Sammelsurium an Tönen, Klängen und Geräuschen: Gongs und Gebetsglöckchen, Schlagwerk, Bleche, Synthesizer und Samples bilden einen Soundtrack, der die Passionserzählung allzuoft nur äußerlich illustriert. Als Ganzes wirkt die Aufführung wie ein esoterisch verbrämtes Spektakel, ein quasireligiöses Ritual, mit dem Komponisten als Zeremonienmeister.

Die musikalischen Protagonisten, die den Passionsbericht erzählen, waren vorn an der Bühne aufgestellt: wunderbar Claudia Barainsky, die ihrem beweglichen Sopran die erstaunlichsten Facetten abgewann, überzeugend auch Stephen Bryant (Bass), Jiamin Wang (Violine) und Amedeo Cicchese (Cello), welche die solistischen Linien expressiv in Klang setzten, auch die Gächinger Kantorei kam mit dem hohen Anspruch der Partitur gut zurecht. Am Ende Ovationen des Publikums.