Andreas Staier und Alexander Melnikov spielen Bach und Schostakowitsch beim Stuttgarter Musikfest – und bieten mit einer brillanten Dramaturgie einen sensationellen Konzertabend.

Bach Stuttgart - auf Tasten“ heißt eine vierteilige Konzertreihe beim Musikfest Stuttgart, die nun von Alexander Melnikov und Andreas Staier im Mozartsaal eröffnet wurde. An diesem ersten Abend waren Auszüge der 24 Präludien und Fugen op. 87 von Schostakowitsch zu hören, geschrieben nach dem Vorbild von Bachs Wohltemperiertem Klavier Teil eins und zwei. Alexander Melnikov spielte am modernen Konzertflügel eine sorgfältig getroffene Schostakowitsch-Auswahl, alternierend mit Andreas Staier, der am Cembalo eine Bach’sche Kompilation interpretierte.

 

Die Dramaturgie dieses Abends war brillant, führte sie doch exemplarisch vor Ohren, wo Schostakowitsch sich einigermaßen streng an Bach orientiert hatte, aber auch wie mutig und eigenwillig er Bachs Formenwelt und Stilelemente nur noch als Allusionen in seiner Musik durchscheinen ließ, überdies verknüpft mit den harmonischen Eigenheiten der russischen Volks- und Kirchenmusik.

Ein kurzer, ein intensiver schöpferischer Weg

Von der ersten Idee bis zur Niederschrift war es ein kurzer, ein intensiver schöpferischer Weg für Schostakowitsch. 1950 gedachte die Musikwelt des 200. Todestages von Bach. Dmitri Schostakowitsch kam als Mitglied der sowjetischen Delegation zu den mehrwöchigen Feierlichkeiten nach Leipzig, als Vorzeigekomponist des Regimes, das ihn durch den sowjetischen Komponistenverband zurechtgestutzt glaubte. Schostakowitsch gab sich vordergründig angepasst und scherte doch wieder aus. Beim Leipziger Bachfest betonte er seine große Verehrung für den Thomaskantor und bekundete seine Absicht, einen Zyklus nach dem Vorbild des Wohltemperierten Klaviers zu schreiben. Die ersten Kritiken indes, 1951, von ideologisch strammen Mitgliedern des Komponistenverbands, waren verheerend. Schostakowitsch wurde eine Rückkehr zu Formalismus und Dekadenz vorgeworfen.

Alexander Melnikov beförderte diese Kritiken mit Verve auf die Müllkippe des ideologisch verblendeten Humbugs, auf das Beste sekundiert von Andreas Staier in Sachen Bach. Staier legte größten Wert darauf, das Komplizierte im Schlichten und das Schlichte im Komplizierten in seinem Bach-Spiel zu betonen. Blendendes Beispiel dafür waren Präludium und Fuge in C-Dur aus dem ersten Teil des Wohltemperierten Klaviers. Man könnte es auch so sagen. Andreas Staier jonglierte mit allen musikalischen Parametern auf eine Art und Weise, die deutlich machte, dass Bach selbst im vermeintlich nur vergeistigten Wohltemperierten Klavier eine Musik mit einigem Elan vital komponiert hatte.

Alexander Melnikov wiederum beantwortete das mit einem Schostakowitsch-Spiel, das angemessen rau war, akribisch, fast pingelig melodisch-rhythmische Verläufe konturierend, mehr als nur aufmerksam dem dramatischen Gestus dieser musikalischen Kurzgeschichten gehorchend. Das Fazit: dies war ein sensationeller Konzertabend.