Beim Musikfest Stuttgart liest der Schauspieler Sky du Mont aus Casanovas Memoiren. Als Casanova sieht er sich selbst deshalb aber nicht.

Stuttgart - In Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ hat er ebenso mitgespielt wie in Bully Herbigs „Schuh des Manitu“ war er der Bösewicht Santa Maria, außerdem kennt man Sky du Mont aus zahlreichen Krimis und Serien. Heute bezeichnet sich der 70-Jährige im Filmbereich als „Ablehner“. Er hat aber auch sieben Bücher geschrieben, tritt bei Lesungen mit Musik und als Erzähler im Musical auf.

 
Herr du Mont, Sie kommen als Casanova nach Stuttgart . . .
. . . nein, ich lese aus Casanovas Memoiren.
Das wollte ich hören. Dennoch passt Casanova zumindest zu dem Klischee, das man mit Ihnen verbindet.
Da stelle ich doch gleich die Gegenfrage. Warum eigentlich? Weil ich meine Nase mitten im Gesicht habe und 1,96 Meter groß bin?
Weil Sie ein schöner Mann sind.
Casanova sah gar nicht gut aus. Er war ein Hallodri, der sich – übrigens eine sehr männliche Eigenschaft – größer gemacht hat, als er war. Ein richtiger Angeber . . .
. . . der Fake News über sich verbreitet hat.
So ist es.
Dennoch unterstellt man bei jemandem wie Casanova, der zahllose uneheliche Kinder hatte und das Bild von sich als Frauenheld lanciert hat, dass er etwas sehr Attraktives gehabt haben muss.
Er muss sehr charmant gewesen sein, sonst hätte er nicht so viele Frauen verführen können. Er war ein Freigeist, hat in sehr vielen Ländern gelebt, konnte viele Sprachen, war sehr kosmopolitisch, hat sich mit sehr unterschiedlichen Menschen umgeben. Ein sehr moderner Mensch – dass er für die damalige Zeit sehr aufgeklärt war, dürfte einer der Gründe für seine Anziehungskraft gewesen sein.
Die erste Ausgabe von Casanovas Memoiren, die auf Deutsch erschien, war eine bereinigte Ausgabe. Werden Sie auch anzügliche Stellen lesen?
Nicht wirklich. Eine unappetitliche Szene ist dabei – Casanova hat halt alten Käse geliebt, in dem sich schon gewissen Dinge bewegt haben. Da kann man sich schon ein bisschen ekeln. Die sexuellen Dinge, die er beschreibt, sind eher deutlich. In einer Szene verliebt er sich in ein junges Mädchen, die ihn auch verführt, er ist Feuer und Flamme, und sie treibt es dann gleich mit jemand anderem. Der Hass auf diesen Rivalen verfolgt ihn sein ganzes Leben, er steht im Mittelpunkt der Geschichte, die ich lesen werde. Da geht es um Eifersucht und Geltungsdrang.
Konnte Casanova eigentlich noch die Wirklichkeit von der eigenen Inszenierung unterscheiden?
Ich glaube nein. Manche Menschen können sich so lange in Situationen hineinlügen, bis sie Ihnen als Realität erscheint. Sie können sich so lange bemitleiden, dass sie schließlich wirklich denken, dass es ihnen schlecht geht – und dann in der festen Überzeugung an einem Bettler vorbeigehen, dass sie ja selbst nichts haben.
Sie treten mit dem Schuppanzigh Quartett auf. Machen Sie häufiger Lesungen mit Musik?
Ich spiele kein Theater mehr, aber mir fehlt das Publikum. Deshalb mache ich wahnsinnig gerne diese Lesungen, gerne auch mit großen Orchestern, und ich liebe es ebenfalls, als Sprecher in dem Musical „The Rocky Horror Show“ aufzutreten. Da bekomme ich sofort eine Resonanz von den Zuschauern.
Wollten Sie nicht auch mal Musik studieren?
Ja, ich wollte komponieren lernen, Filmmusik schreiben, wollte in England bei meiner Mutter studieren, aber ich hatte nur einen deutschen Pass, und als ich an der Grenze sagen musste, dass ich keinen festen Job habe, hat man mich nach Deutschland zurückgeschickt. Da habe ich dann, weil ich kein Geld hatte, als Komparse gejobbt, ich habe eine Schauspiellehrerin gefunden, die mich umsonst unterrichtet hat, und so landete ich plötzlich als Schauspieler am Staatstheater Berlin. Das hatte ich so eigentlich nicht geplant.
Was bedeutet Ihnen Bach?
Sehr viel. Ich liebe Bach, ich liebe klassische Musik, und ich versuche das meinen Kindern auch nahezubringen, aber so richtig beißen sie noch nicht an.
Sie schreiben heute keine Musik, wohl aber Geschichten. Ich muss allerdings gestehen, dass ich noch kein einziges Ihrer Bücher gelesen habe . . .
Ach, ich habe auch schrecklich viel nicht gelesen. Und was das eigene Schreiben betrifft: Das war learning by doing.
Welches Ihrer Bücher würden Sie mir besonders empfehlen: den Band über das Älterwerden?
Mein neuestes Buch kommt im Januar heraus, und ich glaube ernsthaft, dass es mein bestes ist: weil es eine durchgängige Geschichte erzählt. Früher habe ich Kriminalromane geschrieben, zwei sind auch verfilmt worden, aber irgendwann hat mich das gelangweilt. Der Verlag fand, ich hätte einen englischen Humor und regte deshalb an, ich solle doch mal etwas Lustiges schreiben. Daraufhin habe ich kleine Geschichten über die Klischees zwischen Mann und Frau verfasst. Die kamen gut an, das habe ich mit einem zweiten und einem dritten Buch fortgeführt, und das landete in der Spiegel-Bestsellerliste so weit oben, dass über 100.000 Exemplare verkauft wurden. Natürlich wollte der Verlag, dass ich in dieser Richtung weitermache, aber ich wollte nun unbedingt mal etwas Längeres schreiben. Das Ergebnis heißt „Jung sterben ist auch nicht die Lösung“, und der Roman handelt von einer sehr alten Mutter, die findet, dass ihr Sohn, der auch schon ein Rentner ist, sie nur älter macht, deshalb sucht sie ihm ein Altersheim und versucht ihn abzuschieben . . .
Was machen Sie momentan im Filmbereich?
Gar nichts. Ich bin ein Ablehner. Man hat mir einen „Tatort“ angeboten, aber ich wollte nicht tun, was das Drehbuch für meine Rolle vorsah. Ich will nicht mehr das Klischee von mir bestätigen. Ich will keine Bösewichte mehr spielen.
Warum nicht?
Weil sie auf Dauer einfach langweilen. Ich bin Schauspieler geworden, um mich zu verwandeln. Im ZDF habe ich letztes Jahr einen Mann gespielt, der Alzheimer hat, das hat mich interessiert. Ich will nicht immer das Gleich spielen. Ich will auch nicht immer das Gleiche lesen. Das langweilt mich alles.
Aber die Klischees haben Sie doch schon mehrfach gebrochen. Spätestens im „Schuh des Manitu“. War das Ihre Idee oder die von Bully Herbig?
Es war meine. Ich war immer ein großer Fan von Cary Grant, der – etwa in „Leoparden küsst man nicht“ – unglaublich komisch sein konnte, ohne das Gesicht zu verziehen. In diesem Sinn habe ich den Schurken in „Der Schuh des Manitu“ neu definiert. Das hat dann gut funktioniert – ähnlich wie in der TV-Serie „Dallas“, wo J. R. ja in einer Art böse war, dass man schon wieder darüber gelacht hat. Ich will niemanden mehr spielen, den der Zuschauer hassen muss. Ich will Rollen spielen, von denen die Zuschauer sagen: Es ist nicht zu glauben, was der schon wieder treibt.
„Freiheit“ ist das Motto des Musikfests Stuttgart. Fühlen Sie sich frei?
Das hat mich noch keiner gefragt, da muss ich jetzt richtig nachdenken . . . Ich fühle mich schon manchmal frei, aber tatsächlich bin ich es gar nicht. Ich habe Kinder, um die ich mich kümmer muss und kümmern will, ich habe einen Gesetzgeber, der von mir Steuern einfordert, ich habe Verkehrsschilder und werde bestraft, wenn ich mich nicht an sie halte, ich habe einen Tagesablauf, der auch von außen geregelt ist. Jetzt zum Beispiel würde ich wahnsinnig gerne ans Meer fahren, aber das kann ich nicht. Das heißt, natürlich könnte ich das machen, aber dann müsste ich auf Vieles verzichten. Dass ich das nicht will, macht mich unfrei. Ich will nun mal ein Auto haben und eine schöne Wohnung.
Es war aber Ihre freie Entscheidung, dieses Leben führen zu wollen.
Ja, aber das Leben hat mich dann eingewickelt. Man ist auch nicht frei, wenn man liebt. Und all unsere Entscheidungen sind von Bedenken und Überlegungen gesteuert.

Termin Mittwoch, 19 Uhr, Theaterhaus Stuttgart