Eine Anhörung in den Stuttgarter Wagenhallen am Mittwoch zeigte: Nach dem Aufruhr im Sommer werden die Argumente sachlicher. Die zuständige Ministerin Theresia Bauer (Grüne) setzt auf den Faktor Zeit.

Stuttgart - Misstöne dominierten in den Sommermonaten die Debatte um Einsparmöglichkeiten und die zukunftsfeste Aufstellung der fünf Musikhochschulen des Landes. Gestern luden die Regierungsfraktionen Grüne und SPD Betroffene und Beteiligte zur Anhörung und die Fraktionschefs Edith Sitzmann (Grüne) und Claus Schmiedel (SPD) lobten ihre Veranstaltung als „gelungenen Auftakt für eine tragfähige Kompromisslösung“.

 

Die Anhörung habe zur Versachlichung beigetragen, finden Sitzmann und Schmiedel. Sie erkennen nach den mehrstündigen Diskussionen der 250 Besucher mit den Rektoren der Hochschulen und den Vertretern der Standortstädte, „dass Brücken geschlagen werden und alle konstruktiv an einer Lösung mitwirken wollen“.

Nach den teilweise heftigen Anwürfen der Rektoren untereinander und gegen die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) während des Sommers mutet es etwas merkwürdig an, dass die Fraktionschefs nun erklären, die Anhörung sei der Beginn eines intensiven Austausches zwischen allen Beteiligten.

Der Rechnungshof hatte die Debatte angest0ßen

Im Verlauf der ganztägigen Veranstaltung in den Stuttgarter Wagenhallen war von verschiedener Seite bemängelt worden, die Anhörung hätte tatsächlich am Anfang der Debatte stehen sollen, die bereits im Juli durch eine Empfehlung des Rechnungshofes in Gang gekommen war.

Der Rechnungshof hatte vorgeschlagen, an den fünf Standorten anteilige Kürzungen vorzunehmen, um vier bis fünf Millionen Euro jährlich einzusparen. Das Konzept von Theresia Bauer sah dagegen Schwerpunktbildungen vor, die die Standorte Trossingen und Mannheim besonders getroffen hätten. Daran entzündete sich der emotionsgeladene Streit.

Gestern wurde deutlich sachlicher diskutiert. Bauer nahm einiges an Brisanz aus der Debatte, indem sie betonte, „wir haben Zeit“. Bis zum Sommer 2014 will die Wissenschaftsministerin in Fachforen diskutiert haben, welche Studiengänge an den Hochschulen künftig benötigt werden und wie die Exzellenz gesichert werden kann. „Ich möchte, dass in Baden-Württemberg die besten Studierenden aufgenommen werden und die besten Abschlüsse gemacht werden“, sagte sie zur Genugtuung des Publikums. Auch für die Konsolidierungsbeiträge hätten die Hochschulen Zeit, sagte Bauer. Einsparungen seien ohnehin erst möglich, wenn der aktuelle Solidarpakt, der die Finanzen der Hochschulen bis Ende 2014 regelt, ausgelaufen sei.

Es fehlt an Musiklehrern in der Grundschule

Es gelte aber unverändert, die „dezentrale und kleinteilige Struktur der Hochschulen zukunftsfest aufzubauen“ und neue Schwerpunkte zu setzen, da sich die Beschäftigungssituation der Absolventen ändere. Bauer wie auch die Hochschulrektoren sehen Musikpädagogik und kulturelle Bildung als neue Anforderungen für die Musikhochschulen. Es fehle vor allem an Musiklehrern für die Grundschulen, beklagte nicht nur die Stuttgarter Bürgermeisterin Susanne Eisenmann.

In der Diskussion zeichnete sich ab, dass die Hochschulen durchaus bereit sein könnten, um einen Kernbereich, den jede Hochschule garantieren müsse, Schwerpunkte zu bilden. Das sei schon jetzt der Fall, betonte der Karlsruher Rektor Hartmut Höll. „Wir sind alle keine Vollhochschulen.“ Er plädierte dafür, für die weitere Schwerpunktbildung Verbundstrukturen auszubilden.

Doch an den Details scheiden sich die Geister. In Mannheim hatte Bauer vorgeschlagen, die Popakademie mit der Musikhochschule zu verzahnen und dort den Schwerpunkt Moderne Musik zu etablieren. Eine „Verrechnung Klassik gegen Pop“ lehnt Mannheim aber „klar ab“. Die Zukunftssicherung der Popakademie sieht man dort als Aufgabe des ganzen Landes, die nicht durch Kürzungen anderer Mannheimer Einrichtungen gelöst werden könne.

Alle stehen demonstrativ zur Schulmusik

Alle bekennen sich zur Bedeutung der Schulmusik, offen ist aber, ob jeder Standort die teure Sparte anbieten muss. Stuttgart sieht sich dafür ebenso prädestiniert wie Freiburg. Andere halten Schulmusik an jeder Hochschule für essenziell. Ehe das Kultusministerium keine belastbaren Zahlen vorgelegt hat, wie viele Musikpädagogen benötigt werden, will mancher jedoch gar nicht über Schulmusik reden.

Mit dem Bedarf ist das ohnehin so eine Sache. Der müsse weltweit erhoben werden, argumentiert die Kulturgemeinde. Vermisst werden auch Kriterien zur Definition der Qualität. Die Anzahl der Preisträger von „Jugend musiziert“ jedenfalls reicht einigen der Rektoren nicht aus. Gesicherte Zahlen seien die Voraussetzung für weitere Diskussionen. Regula Rapp, Rektorin in Stuttgart, sieht es als „Kernaufgabe“ der Hochschulen an, Qualität zu definieren.

Rektoren sind bereit, über Strukturen zu reden

Von mehreren Seiten wurde positiv vermerkt, dass die zerstrittenen Rektoren offenbar wieder bereit seien, über Strukturen zu diskutieren. Sie plädierten auch dafür, die fünf Standorte zu erhalten. Das stärke die Verankerung der Hochschulen in den Regionen und mache die Hochschulen, deren hoher Ausländeranteil häufig kritisiert wird, auch für Inländer interessant.

Die moderateren Töne überzeugen die Opposition im Landtag noch nicht. Dietrich Birk (CDU) kritisierte, die Anhörung komme ein halbes Jahr zu spät. Sie habe erneut gezeigt, wie tief die Gräben seien. „Ministerin Bauer muss nun versuchen, verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen“, verlangte Birk. Die Ankündigung, die Reform könne ohnehin nur mit dem neuen Solidarpakt umgesetzt werden, zeige, wie überhastetet Bauer ihre Pläne umsetzen wollte. Die FDP vermisst ein Bekenntnis der Regierungsfraktionen, alle fünf Standorte mit der ganzen Bandbreite für eine klassische Musikausbildung zu erhalten.