Vertreter der Musikindustrie hoffen nach vielen Krisenjahren auf die Wende und bauen ihr digitales Angebot aus. Wichtigste Säule der Branche ist aber weiterhin die CD.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Seit anderthalb Jahrzehnten gehen die Erlöse der Musikindustrie zurück. Sie haben sich in dieser Zeit glatt halbiert. Doch nun sehen die hiesigen Plattenfirmen Licht am Ende des Tunnels. Im ersten Quartal kletterten die Umsätze um mehr als vier Prozent. Und im vorigen Jahr blieb der Gesamtumsatz im drittgrößten Musikmarkt der Welt mit knapp 1,7 Milliarden Euro immerhin unverändert – was nach dem tiefen Sturz schon als ein Erfolg zu werten ist.

 

So sieht das auch Dieter Gorny, der einst den TV-Musiksender Viva aufbaute und heute den Bundesverband Musikindustrie leitet. „Die Investitionen der letzten Jahre beginnen sich auszuzahlen“, erklärte der Verbandschef bei der Vorlage der Branchenzahlen in Berlin. Jahrelang hatte die Industrie den rasanten Marktwandel verschlafen und das Internet unterschätzt. Die massenhafte und kostenlose Verbreitung digitalisierter Musik über Tauschbörsen im Netz wurde so zum Existenzproblem vieler Künstler, Produzenten und Rechteinhaber.

Doch die beliebte Ausrede mancher Raubkopierer, es fehle an legalen Online-Angeboten der Industrie, zieht nicht mehr. Rund 70 lizenzierte Musikdienste werben inzwischen im Internet auch um deutsche Kunden. Nicht wenige – wie der internationale Anbieter Spotify – sind sogar kostenlos, bieten Zugriff auf bis zu 16 Millionen Titel und finanzieren sich, ähnlich wie private TV-Sender, über Werbeeinnahmen. Für Monatsgebühren zwischen fünf und zehn Euro gibt es bereits werbefreie Angebote und die Möglichkeit, Songs auch ohne ständige Internetverbindung zum Beispiel auf dem Mobiltelefon zu hören.

Zahl der legalen Online-Nutzer stark angestiegen

Die neuen Zahlen der Branche zeigen, dass die Musikdienste – allen vorweg iTunes von Apple – bei den Kunden ankommen. Jeder sechste Euro des Gesamtumsatzes stammt inzwischen aus dem Online-Geschäft, die Digitalerlöse kletterten um ein Fünftel auf rund 247 Millionen Euro. Insgesamt wurden voriges Jahr den Angaben zufolge 79 Millionen einzelne Lieder legal heruntergeladen, eine Zunahme um ein Viertel. Das brachte den Anbietern 86 Millionen Euro Umsatz, gut 30 Prozent mehr. Auch ganze Alben und Hitsammlungen bleiben gefragt, die Erlöse aus diesen Bündelangeboten kletterten um fast 28 Prozent auf 117 Millionen Euro.

Insgesamt stieg die Zahl der legalen Online-Nutzer seit 2005 laut Verband von drei auf 7,7 Millionen. Zum Vergleich: die Zahl der illegalen Nutzer in Deutschland schätzt die Branche auf noch drei Millionen Menschen. Nach Ergebnissen der „Brennerstudien“, die der Verband regelmäßig durchführen lässt, wurden in den letzten zehn Jahren allein in Deutschland rund sieben Milliarden Lieder unerlaubt aus dem Internet heruntergeladen, 900 Millionen davon im Jahr 2010.

Wichtigste Säule bleibt die CD

Für Gorny stehen ein verschärftes Urheberrecht und die Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum daher weiterhin ganz oben auf der Agenda. Solange legale Online-Dienste mit illegalen Gratisangeboten konkurrieren müssten, sei man von einer wirklichen Trendwende weit entfernt. Der Verband fordert unter anderem, Warnhinweise bei Urheberrechtsverletzungen im Internet einzuführen. Es sei erfreulich, dass die Debatte dazu endlich geführt werde. Die Musikfirmen und der Verband kämpfen mit harten Bandagen gegen Rechteverletzter und haben bereits weit über hunderttausend teure Abmahnungen auch an Minderjährige verschickt.

Wichtigste Säule des Geschäfts der Branche bleiben physische Tonträger wie die CD. Während in anderen Ländern immer mehr CD-Läden mangels Absatz vom Markt verschwinden, kaufen die Bundesbürger weiterhin relativ viele Silberscheiben. Trotz eines Umsatzrückgangs von weiteren knapp vier Prozent sind Tonträger wie die CD und die Musik-DVD mit einem Marktanteil von 83,4 Prozent immer noch die mit Abstand größte Einnahmequelle der deutschen Musikfirmen.

Besonders erfreulich ist das weiterhin überaus große Interesse an nationalen Künstlern. Jahrzehntelang dominierten vor allem britische und US-Bands das Geschäft. Im vorigen Jahr aber erreichten einheimische Sänger und Musikgruppen den Rekordanteil von 55 Prozent in der Top- 100-Hitparade der beliebtesten Alben.