Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Die Wechselwirkung zwischen dem Malträtieren des Körpers, des körperlichen Ausreizens einerseits und Ruhephasen auf der anderen Seite habe er schon immer sehr bewusst erlebt, erzählt Ali Schwarz. „Als wir nach dem Ende unseres Clubs Red Dog 1997 von Stuttgart aus immer häufiger auch international auflegen durften und DJing zum Fulltime-Job wurde, wurde auch das Thema Auszeit immer wichtiger.“ Es folgte die erste Reise nach Indien. „Unsere Mutter arbeitet als Yogalehrerin, dadurch hatten wir schon früh ein grundsätzliches Interesse an Ayurveda. Meine erste Kur war Ende der 90er.“

 

Künstler wie Tiefschwarz reisen nach Indien, um ihren Körper von all den Stoffen zu befreien, die 20 Jahre Leben auf der Überholspur mit sich bringen. Bei diesem Wechselspiel aus Arbeit, Exzess und fernöstlicher Tiefenentspannung wurde über die Jahre ein Ort in der rheinland-pfälzischen Provinz immer wichtiger: Traben-Trarbach und das dort ansässige Parkschlösschen, das sich ganz schön unbescheiden „Europas einziges reines Ayurveda-Hotel“ nennt. Auch hier war Sven Väth Pionier, Anfang der 90er machte er auf Goa nicht nur mit psychedelischer Bewusstseinserweiterung, sondern auch mit fernöstlichen Entspannungstechniken Bekanntschaft. Väth nahm die Dienste der deutschen Klinik als erster Technoplayer in Anspruch. „Irgendwann wurde Traben-Trarbach in der Technoszene zum geflügelten Wort“, erinnert sich Ali Schwarz.

Konditioniertes Abschalten hat sich etabliert

Egal ob Rheinland-Pfalz oder Asien: das konditionierte Abschalten hat sich unter Deutschlands Superstar-DJs etabliert. Ali Schwarz und sein Bruder schaffen sich dafür Freiräume, sie nehmen sich seit Jahren regelmäßig Ayurveda-Auszeiten. „Die Kur dient als Initialzündung, danach versuche ich, vier bis sechs Wochen auf Fleisch und Alkohol zu verzichten, um wirklich alle Giftstoffe in meinem Körper loszuwerden.“ Eben noch im Kreuzfeuer der Boxen und im nächsten Moment mitten im Panchakarma, mitten in der Reinigung. Nach der ersten Woche Abschalten spürt man die körperliche Erschöpfung erst so richtig, sagt Schwarz. „Der Kopf wird frei, ich merke, wie die Kraft zurückkehrt, wie der Denkapparat wieder schneller funktioniert. Wenn man lange im Nachtleben tätig ist, spielt einem das Nervensystem irgendwann Streiche.“

Kurschatten statt Stroboskop: die Vorstellung, die Helden der Nacht im entschleunigten Zwiegespräch zwischen Öl-massage und Yoga zu erleben, klingt angesichts eines zweitägigen Riesenraves wie dem Day & Night Festival in Sindelfingen beinahe grotesk, erfüllt aber scheinbar seinen Zweck. In der Kur habe er auch mal Zeit, sich über andere Themen auszutauschen, sagt Schwarz. Dann ginge es nicht um die letzte Nacht, den neuesten Club oder irgendwelche Technogerüchte. „Es gibt eben auch ein Leben neben der Bassdrum.“ Spricht‘s und steht auf, um sich auf seinen nächsten Auftritt vorzubereiten.

Während der unschuldigen Geburtsjahre von Techno vor mehr als zwei Dekaden stand Hedonismus über allem. Man sorgte sich nicht um den eigenen Körper, dafür hatte man keine Zeit, man musste schließlich feiern. Sven Väth spielte zwölfstündige Marathonsets, Ecstasy und Speed waren das Epo des Dancefloors, einige DJs versuchten, ihre Sets durch Kokain noch kristallklarer klingen zu lassen. „Ich hab das Gaspedal richtig durchgetreten. Als ich 30 Jahre alt war, merkte ich: in dem Tempo geht‘s nicht weiter“, gestand Sven Väth einmal in einem Interview.

Heute heißen die größten deutschen DJs immer noch Väth oder Liebing, steuern auf die 50 zu und spielen die Nächte durch für ein Publikum, das nicht einmal halb so alt ist. Wie das geht? Die Großen der elektronischen Musikszene gleichen ihre anstrengenden Nächte zwischen Ibiza und einem Open-Air-Rave in Peru mittlerweile durch Sport und fernöstliche Entspannungstechnik aus.

Wasser trinken, atmen, lächeln

Früher konnte die Szene von Pulver nicht genug kriegen, heute versucht sie, mit ihrem Pulver hauszuhalten. Seit rund zehn Jahren lässt sich Sven Väth von seinem Personal Trainer Schmelzer coachen, Liebing ist auch schon seit Jahren angefixt. Schmelzers Wahrheiten klingen teils banal („Wasser trinken, atmen, lächeln, dann bist du schon ganz weit vorne“), seine Schützlinge schwören aber auf seine Arbeit. Liebing fühlt sich fitter und ausgeglichener. „Michaels spezielle Art von Life-Coaching hat Auswirkungen auf meine Ernährung. Ich ernähre mich seit Längerem hauptsächlich vegan und lebe gut damit.“

Die alten Herren wollen möglichst lange fit bleiben, um Kondition für bis zu drei Nächte pro Woche zu haben. Schließlich geht es in dieser Liga um bis zu fünfstellige Gagen – pro Abend versteht sich. Da wird jedes Zeitfenster zur Regeneration ausgenutzt. „Ich bin viel disziplinierter als früher. Ein auf meine Bedürfnisse abgestimmter Plan unter Anleitung eines Coaches ergibt ein extrem effizientes Training, so dass jede Zeitspanne voll und ganz ausgenutzt wird“, erklärt Liebing.

Wie muss man sich das ganz genau vorstellen? „Alle Trainingspläne sind sehr individuell, an die Jahreszeiten angepasst und verändern sich. Das Training ist auf die Saisonhöhepunkte zugeschnitten“, erklärt Schmelzer. „DJing ist harte Arbeit.“ Der Kopfhörer belaste den Hals-Nacken-Bereich ganz massiv, es komme immer wieder zu Ausfällen im Arm, zu Beeinträchtigungen in der Schulter, und zudem werde der Rücken durch das ständige Stehen ziemlich beansprucht.

Die Kraft uralter Heilkunst

Diese Symptome kennt man auch ein paar Autostunden weiter südlich in der Republik nur zu gut. Ali Schwarz, eine Hälfte des erfolgreichsten deutschen House-Exports Tiefschwarz, steht in Stuttgart in der Bar Transit/Bergamo am Tresen und plaudert bei einem stillen Wasser über das Wechselspiel zwischen dem Raubbau am eigenen Körper, den sein Beruf mit sich bringt, und dem bewussten Abschalten. Wie Väth setzt der Mittvierziger auf die Dienste eines Personal Trainers. In seinem Fall war es die Stuttgarterin Sandra Wolf, die neben DJs die Wirtschaftselite der baden-württembergischen Landeshauptstadt sportlich auf Trab hält. Dazu schwört Ali Schwarz genau so wie sein Bruder Basti auf die Kraft einer uralten indischen Heilkunst: Ayurveda.

Ein Leben zwischen Exzess und Askese

Die Wechselwirkung zwischen dem Malträtieren des Körpers, des körperlichen Ausreizens einerseits und Ruhephasen auf der anderen Seite habe er schon immer sehr bewusst erlebt, erzählt Ali Schwarz. „Als wir nach dem Ende unseres Clubs Red Dog 1997 von Stuttgart aus immer häufiger auch international auflegen durften und DJing zum Fulltime-Job wurde, wurde auch das Thema Auszeit immer wichtiger.“ Es folgte die erste Reise nach Indien. „Unsere Mutter arbeitet als Yogalehrerin, dadurch hatten wir schon früh ein grundsätzliches Interesse an Ayurveda. Meine erste Kur war Ende der 90er.“

Künstler wie Tiefschwarz reisen nach Indien, um ihren Körper von all den Stoffen zu befreien, die 20 Jahre Leben auf der Überholspur mit sich bringen. Bei diesem Wechselspiel aus Arbeit, Exzess und fernöstlicher Tiefenentspannung wurde über die Jahre ein Ort in der rheinland-pfälzischen Provinz immer wichtiger: Traben-Trarbach und das dort ansässige Parkschlösschen, das sich ganz schön unbescheiden „Europas einziges reines Ayurveda-Hotel“ nennt. Auch hier war Sven Väth Pionier, Anfang der 90er machte er auf Goa nicht nur mit psychedelischer Bewusstseinserweiterung, sondern auch mit fernöstlichen Entspannungstechniken Bekanntschaft. Väth nahm die Dienste der deutschen Klinik als erster Technoplayer in Anspruch. „Irgendwann wurde Traben-Trarbach in der Technoszene zum geflügelten Wort“, erinnert sich Ali Schwarz.

Konditioniertes Abschalten hat sich etabliert

Egal ob Rheinland-Pfalz oder Asien: das konditionierte Abschalten hat sich unter Deutschlands Superstar-DJs etabliert. Ali Schwarz und sein Bruder schaffen sich dafür Freiräume, sie nehmen sich seit Jahren regelmäßig Ayurveda-Auszeiten. „Die Kur dient als Initialzündung, danach versuche ich, vier bis sechs Wochen auf Fleisch und Alkohol zu verzichten, um wirklich alle Giftstoffe in meinem Körper loszuwerden.“ Eben noch im Kreuzfeuer der Boxen und im nächsten Moment mitten im Panchakarma, mitten in der Reinigung. Nach der ersten Woche Abschalten spürt man die körperliche Erschöpfung erst so richtig, sagt Schwarz. „Der Kopf wird frei, ich merke, wie die Kraft zurückkehrt, wie der Denkapparat wieder schneller funktioniert. Wenn man lange im Nachtleben tätig ist, spielt einem das Nervensystem irgendwann Streiche.“

Kurschatten statt Stroboskop: die Vorstellung, die Helden der Nacht im entschleunigten Zwiegespräch zwischen Öl-massage und Yoga zu erleben, klingt angesichts eines zweitägigen Riesenraves wie dem Day & Night Festival in Sindelfingen beinahe grotesk, erfüllt aber scheinbar seinen Zweck. In der Kur habe er auch mal Zeit, sich über andere Themen auszutauschen, sagt Schwarz. Dann ginge es nicht um die letzte Nacht, den neuesten Club oder irgendwelche Technogerüchte. „Es gibt eben auch ein Leben neben der Bassdrum.“ Spricht‘s und steht auf, um sich auf seinen nächsten Auftritt vorzubereiten.

Zurück in Frankfurt, im schicken Sport-Loft von DJ-Personal-Trainer Michael Schmelzer. Was sagt er? Ist das auf den ersten Blick skurrile Wechselspiel aus Exzess und Entspannung das Geheimnis, wie es die alte Garde um Väth, Liebing, Tiefschwarz und Co. schafft, noch heute den Takt des Techno vorzugeben? Braucht es den größtmöglichen Kontrast, um Deutschlands Nächte durchzustehen?

Schmelzer denkt nach. Es komme es vor allem auf das richtige Bewusstsein an. Spricht er Sätze wie diesen, klingt er wie der Motivationstrainer eines Fußballclubs. Sein Training setze vor allem im Kopf an. Er predige seinen Schützlingen, in den verschiedenen Phasen oder Jahreszeiten immer wieder innezuhalten, um zu überlegen, wo sie stehen. „Die Zyklisierung eines Jahres ist immens wichtig“, sagt der DJ-Coach. „Als Regulationsgröße ist das entscheidend.“ Schmelzer verhilft den Daueraktiven zum Innehalten, indem er sie mit seinem Training aus ihrem kräftezehrenden Nachtleben herausreißt. Oder die DJs verabschieden sich selbst aus diesem Zyklus und lassen sich in die Ayurveda-Welt fallen. „DJs sind Menschen, die deshalb erfolgreich sind, weil sie hart an sich arbeiten“, sagt Schmelzer zum Abschied. „Die wären sonst längst schon alle tot.“