Etwa 160 Sänger aus diversen Chören der Stadt sollen für das Mega-Projekt, das im kommenden Jahr sieben Aufführungen erleben wird, rekrutiert werden.

Ludwigsburg - Jetzt muss Siegfried Bauer in die Tasten hauen – am Telefon. Nachdem die Stadträte im Ludwigsburger Kulturausschuss am Dienstag einhellig dem Zuschuss von rund 100 000 Euro plus 26 000 Euro Reserve zugestimmt haben, kann der ehemalige Landeskirchenmusikdirektor loslegen. Etwa 160 Sänger aus diversen Chören der Stadt wird der künstlerische Leiter rekrutieren – für das Mega-Musiktheaterprojekt, das im kommenden Jahr im Forum am Schlosspark sieben öffentliche Aufführungen erleben wird. Insgesamt werden mehr als 300 Ludwigsburger, fast alle von ihnen Laiendarsteller und -musiker, an der Produktion beteiligt sein. Den Probenplan mit dem Sinfonieorchester hat Bauer bereits aufgestellt; die vier Profi-Sänger für die Arien müssen noch schleunigst engagiert werden: „Die Zeit ist knapp.“

 

Die Johannespassion soll’s sein

Immerhin ist die Frage aller Fragen schon beantwortet: Mit welchem Stück wird das Doppeljubiläum von Forum und Bürgertheater, die beide seit 25 Jahren bestehen, zelebriert? Die Wahl fiel auf die Johannespassion, in der von Robert Schumann bearbeiteten Version der Bach'schen Komposition. Die sehr selten gespielte Fassung aus dem Jahr 1851 sei eine echte Entdeckung, sagt Bauer: „Ich selbst habe sie vorher auch nicht gekannt.“ Wie bei der 2009 aufgeführten „Schöpfung“ nach Haydn macht das eingespielte Trio mit Bauer, dem Regisseur Rainer Kittel und der Bühnenbildnerin Heike Huber aus einem großen Werk sein eigenes Ding und verhilft einer alten Story zu einer neuen Dimension.

Bei der „Passion 2013“, die im März des kommenden Jahres über die Bühne gehen soll, wird auf die erklärenden Rezitative verzichtet. Stattdessen hat Kittel mit der Hilfe eines Theologie-Professors die Leidensgeschichte Jesu „auf zehn Sätze eingedampft“. In fünf Teilen fokussiert der künstlerische Leiter das christliche Schlüsselwerk auf seine Hauptszenen, die vor allem bildlich und tänzerisch dargestellt werden: Verrat, Verleugnung, Verhör, Tod und Grablegung.

Christliches Schlüsselwerk in die heutige Zeit transportiert

Kittel will nur wenig Worte machen. Schließlich sei „der Grundplot ikonenartig ins Gedächtnis eingebrannt, so dass er durch klare Gesten evozierbar ist“. Ein professioneller Schauspieler soll nicht die alte Bibelgeschichte, sondern hinzumontierte Texte sprechen, die das Stück in die heutige Zeit transportieren: Gandhis Geschichte, Briefe unschuldiger Guantanamo-Häftlinge, Nachrichten über die Revolutionäre des Arabischen Frühlings. So will Kittel „die universelle und überkonfessionelle Botschaft“ der Passion in Szene setzen: „Wie man auf Gewalt und Unterdrückung mit Frieden und Vergebung reagiert.“

Dabei soll die Passion keineswegs nur düster und depressiv ausfallen. Für die Rolle des Jesus will der Regisseur einen Tänzer auswählen, „der stark, stolz und würdig in sein Schicksal schreitet“. Beim scheinbar Ohnmächtigen liegt die Macht.

Einzigartiges Bürgertheater

Die zu erwartende hohe Bürgerbeteiligung und die künstlerischen Ambitionen begeisterten die Stadträte schon im Vorfeld. „Das klingt alles sehr verheißungsvoll“, sagte der Freie Wähler Reinhardt Weiss. Ein Bürgertheater in dieser Größenordnung sei einzigartig in Baden-Württemberg, betonte Elke Kreiser (CDU). Der grüne Stadtrat Michael Vierling lobte das Mitmach-Kulturprojekt und hofft, dass die Produktion trotz ihres christlichen Themas „auch Menschen mit Migrationshintergrund integriert“.

Gespannt sein darf man auch darauf, wie das Projektteam seinen Wunsch umsetzt, dass die vielen Akteure diesmal nicht nur von der Bühne herab spielen, sondern auch aus dem Publikumssaal heraus. Das wird eng. Schließlich waren bei der „Schöpfung“ alle Vorstellungen ausverkauft.