Vertreter der Stuttgarter Ahmaddiya-Gemeinde haben erklärt, inwiefern militante Islamisten den Koran für ihre Zwecke missbrauchen. Sie räumen aber ein, dass auch innerhalb des Islams der Dialog manchmal nicht einfach ist.

Stuttgart - Dschihad, Salafisten, Heiliger Krieg, das sind Schlagwörter, die in den Medien Aufmerksamkeit garantieren. Und es sind Begriffe, die das Bild der Muslime in der deutschen Öffentlichkeit stark prägen. „Wenn eine junge Frau in den Heiligen Krieg zieht, berichten alle groß darüber, wenn sich 35 000 Muslime in Karlsruhe friedlich versammeln und ihre Loyalität gegenüber dem deutschen Staat bekunden, wird dies kaum wahrgenommen“, stellte Kamal Ahmad, der Sprecher der Stuttgarter Ahmaddiya-Gemeinde fest. Die kleine muslimische Gemeinde hat am Mittwoch ins katholische Kolpinghaus geladen, wo deren Vorsitzende unter dem christlichen Kreuz Platz nahmen. Der Grund ihrer Einladung: zu erklären, was Dschihad im Islam wirklich bedeutet und was sich hinter Salafismus verbirgt. Vor allem aber wollten sie zeigen, dass der Islam eine friedliche Religion ist.

 

„Dschihad steht für die Anstrengung und Bemühung, die notwendig ist, um bei sich selbst eine Verbesserung der seelischen Haltung zu erreichen“, erklärte Kamal Ahmad. Deshalb sei zum Beispiel auch das Fasten eine Form des Dschihads. Das eigene Ego müsse überwunden werden, weil man auf Nahrung und Trinken verzichte. Tatsächlich werde auch eine Kampfhandlung als Dschihad bezeichnet, die aber rein auf Verteidigung basiere. „Nur wenn man selbst angegriffen wird und die eigene oder eine andere Religion in ihrer Freiheit bedroht wird, darf an eine Verteidigung gedacht werden“, so Ahmad. Vor einer Kampfhandlung aber sehe der Koran die Auswanderung vor, um sich dem Angriff zu entziehen, so der Stuttgarter Muslim.

Militante missbrauchen den Text des Korans

Auf den Dschihad folgte ein Kurzvortrag zum Salafismus, der auf das 13. Jahrhundert zurückgehe. „Der problematische Grundgedanke ist, dass man den Koran buchstabengetreu auslegen müsse ohne jeglichen Interpretationsspielraum. Erst dadurch sind radikale Strömungen entstanden“, erklärte Manan Haq, der Landesbeauftragte der Ahmadiyya Muslim Jamaat. Militante Salafisten würden nicht nur Gewalt als legitimes Mittel betrachten, sondern die Welt in Gläubige und Ungläubige einteilen, zu denen dann auch andersdenkende Muslime wie die Ahmadis zählten. „Wir sagen, dass der Koran sinngemäß und mit menschlicher Vernunft gelesen werden muss. Auch der historische Kontext muss berücksichtigt werden“, erklärte Haq. Daraus resultiere ein Islam, der allen Menschen gegenüber Mitgefühl zeige, egal welcher Religion sie angehören und der die Religionsfreiheit nicht nur für Muslime verteidige. Die Glaubensfreiheit beinhalte selbstverständlich auch das Recht, sich vom Islam abzuwenden. Der verspätet angereiste Tübinger Imam Shakeel Ahmad Umar machte zum Thema Salafismus unmissverständlich deutlich: „Wir leben in einer Zeit, in der viele Religionsgelehrte versuchen, weltliche Macht zu erlangen.“

Die Verantwortlichen der Ahmadiyya-Gemeinde setzten während der zwei Stunden im Kolpinghaus dem Salafismus und einem falsch verstandenem Dschihad ihre eigenen Grundüberzeugungen gegenüber. Mehrfach betonten die vier islamischen Vertreter, dass es für einen Muslim selbstverständlich sein müsse, dem Staat gegenüber loyal zu sein und sich einzubringen. „Wir Ahmadis fragen nicht, was kann der Staat für uns tun, sondern was können wir für den Staat tun“, so Manan Haq. Die Pflicht, sich zum Staat und seiner Grundordnung zu bekennen, sei keine von den Ahmadis erfundene Parole, sondern „ist Ausfluss aus dem Koran und der Praxis des Propheten“.

Auch unter Muslimen ist der Dialog mitunter zäh

Tatsächlich bemüht sich auch die Stuttgarter Gemeinde mit ihren rund 300 Mitgliedern, sich in das gesellschaftliche Leben einzubringen, etwa mit Gartenaktionen in Pflegeheimen, als Quartiersmeister beim Deutschen Evangelischen Kirchentag oder mit Besuchen in Flüchtlingsunterkünften. Unter orthodoxen Muslimen werden Ahmadis wegen ihres Glaubensstifters oftmals als außerhalb des Islams stehend betrachtet. Zum Verhältnis zu anderen Muslimen aber wollte Manan Haq nur wenig sagen: „Wir sitzen zusammen am Tisch und haben auch viele Gemeinsamkeiten. Aber manchmal läuft der Dialog auch zäh.“