Immer mehr Muslime wollen Christen sein. Das Beispiel eines 18-jährigen Afghanen in Stuttgart zeigt: Hinter dem Wunsch zu konvertieren steckt die tiefe Sehnsucht nach Frieden.

Stuttgart - Nie mehr Gewalt, nur noch Frieden und Liebe. Davids Seele hat genug erlebt. Verstümmelung, Grausamkeiten und den Tod seiner Eltern. Die Dorfmiliz in Afghanistan zwang ihn als Halbwüchsigen gegen seinen Willen zum Dienst an der Waffe und versprach: „Wenn du sechs Christen getötet hast, kommst du sicher ins Paradies.“

 

Und dann der Schock. Nach seiner Flucht aus Afghanistan dreht sich diese Spirale der Gewalt weiter. Selbst unter Schicksals- und Leidensgenossen ist er nicht sicher. Selbst hier in Stuttgart in den Flüchtlingsunterkünften muss er Anfeindung fürchten. Wer sich von den gewohnten Denkmustern und diesen radikalen Haltungen entfernt, sich mit christlichen Werten identifiziert, wirkt im Kreise der muslimischen Glaubensbrüder verdächtig. Es drohen Sanktionen.

Inzwischen ist der junge Mann getauft, konvertiert vom Islam zum Christentum wie viele andere Flüchtlinge auch. Allein in der Stiftskirche waren es im vergangenen halben Jahr über 40 Konvertiten. „Zuletzt habe ich in einem Abendgottesdienst 24 Flüchtlinge getauft“, sagt Stiftskirchen-Pfarrer Matthias Vosseler, „es kommen immer mehr in die Kirche und stellen Fragen zum Christentum.“ Ein Drittel dieser Neugierigen stammt aus dem arabischen Raum, zwei Drittel aus dem Iran und Afghanistan.

Paten verschenken eine Bibel auf Persisch

So wie David, er kommt aus der Nähe von Kabul. Für ihn war die Hinwendung zur Liebe Jesu eine Herzensentscheidung. Und mit ihr hat er bei seiner Taufe ein Zeichen nach außen gesetzt. Er hat seinen alten afghanischen Namen Tarik abgelegt und sich auf den Namen des kleinen großen Davids taufen lassen. Die Bibelgeschichte, wie ein einfacher Hirte den mächtigen Goliath bezwingt, hat ihn bei seinem Bibelstudium am meisten fasziniert, denn auch der damals 16-jährige David hat auf seiner Flucht im Jahr 2015 über den Iran und halb Europa nach Stuttgart fast Übermenschliches geschafft. Nun findet er solche Geschichten in der Bibel.

Im Buch der Bücher zu lesen ist für manche Flüchtende nicht selbstverständlich. Erstens ist es schwer, die Heilige Schrift in der jeweiligen Heimatsprache zu bekommen. Zweitens ist es praktisch unmöglich, eine Bibel in einer Flüchtlingsunterkunft auf dem Nachttisch liegen zu lassen. David hatte Glück. Seine neuen Paten aus Stuttgart haben ihm eine Bibel in Farsi gekauft und den Buchumschlag mit dem eines alten Schmökers überklebt. „So dachten alle, ich lese statt der Bibel einen Krimi“, erzählt David und schmunzelt.

Taufunterricht in der Stiftskirche

Wäre David früher in die Stiftskirche gekommen, hätte er es einfacher gehabt. Matthias Vosseler bietet den Flüchtlingen nicht nur an zehn Abenden einen Taufunterricht an. Der evangelische Pfarrer hat auch einen ganzen Karton des neuen Testaments in Deutsch-Persisch bestellt. Während dieses Unterrichts erkennt Matthias Vosseler meistens recht gut, wem es mit dem christlichen Glauben ernst ist. „Manche denken wahrscheinlich schon, dass sie mit dem christlichen Glaubensbekenntnis leichter anerkannt werden“, sagt Vosseler, „aber ich mache dann schnell klar, dass dieser Schritt nichts mit Asylfragen zu tun hat.“ Es sei vielmehr eine Entscheidung des Herzens.

Und damit ist es dem Stiftskirchen-Pfarrer nicht genug. Er verlangt den Kandidaten mehr ab. „Nur mit der Taufe ist es nicht getan“, erklärt er den angehenden Christen, „es gehört auch Praxis dazu.“ Christ sein bedeutet auch, als Christ zu leben, im Gottesdienst und darüber hinaus. Vosseler animiert sie dazu, „gemeinsam zu singen, zu essen, zu lernen, zu beten“. Aber eigentlich rennt er damit meist offene Türen ein, denn genau das suchen diese Menschen.

Gemeinschaft in Frieden.