Gleich beim ersten Fall zeigt sich eine Schwäche der neuen Musterfeststellungsklage: die Hürden für einen Erfolg der Verbraucher wurden hoch, vielleicht zu hoch gelegt, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Eine Premiere war es in jedem Fall: Zum ersten Mal wurde in Stuttgart das neue Instrument der Musterfeststellungsklage genutzt. Schon deshalb war es auch ein gewisser Praxistest, was die von der Bundesjustizministerin vollmundig gepriesene „Eine-für-alle-Klage“ wirklich wert ist. In dem jetzt vom Oberlandesgericht entschiedenen Fall war sie wenig wert. Schon an der ersten Hürde, nämlich der Frage der Zulässigkeit, scheiterte der Versuch von Betroffenen der Abgasaffäre, ihren Diesel – auf dem Umweg über die Darlehensverträge mit der Mercedes-Benz-Bank – loszuwerden. Ob der clever erdachte „Widerrufsjoker“ gezogen hätte, prüften die Richter erst gar nicht.

 

Ein „qualifizierter“ Verband klagt für alle betroffenen Verbraucher, auf dass deren Stellung gegenüber den Unternehmen gestärkt werde – das ist der durchaus löbliche Grundgedanke des neuen Instruments. Wer oder was aber ist qualifiziert? Das ist die entscheidende Frage, die der klagenden Schutzgemeinschaft für Bankkunden nun zum Verhängnis wurde. Im Sinne der strengen Vorgaben des Gesetzes sei sie nicht klagebefugt, entschied das OLG. Es fehle zum einen an der nötigen Mindestzahl von Mitgliedern, zum anderen blieben Zweifel, ob die Gemeinschaft nicht mit den Verbraucherinteressen Geld verdienen wolle. Eine „Klageindustrie“ nämlich habe der Gesetzgeber gerade nicht gewollt.

Unternehmens- statt Verbraucherschutz?

Damit spielen die Richter den Ball zurück in die Politik, wo er auch hingehört. Bei der Einführung der Musterfeststellungsklage ging es darum, die Interessen zwischen Verbrauchern und Unternehmen neu auszutarieren. Kritiker wandten schon bisher ein, dass das zu zaghaft und zu mutlos geschehen sei. Das Stuttgarter Urteil könnte den Verdacht bestätigen, dass man zu wenig zum Schutz der Verbraucher und zu viel zum Schutz der Unternehmen getan hat. Klingt die „Eine-für-alle-Klage“ also besser, als sie tatsächlich ist? Nach dem ersten Urteil ist es für eine Antwort sicher noch zu früh. Doch wenn sich derartige Entscheidungen mehren sollten, muss die Politik prüfen, ob sie die widerstrebenden Interessen angemessen ausbalanciert hat.