Die Gerichte sollten bei der Beurteilung der Klagebefugnis von Verbraucherorganisationen großzügig sein, kommentiert StZ-Autor Michael Heller.
Stuttgart - Das Problem ist gewiss nicht neu: Ist der Gesetzgeber nicht präzise und formuliert schwammig, weil im Kreis von vielen Beteiligten keine Einigung in allen Punkten herbeigeführt werden konnte, dann landen die daraus resultierenden Fragen letztlich in den Gerichtssälen. Die neue Musterfeststellungsklage ist ein Beispiel dafür. Letztlich hat sich die Politik nicht darauf einigen können, was da eigentlich genau geschützt werden soll: die Verbraucher vor der Übermacht der Konzerne? Oder die Konzerne vor klagewütigen Rechtsanwälten? Eigentlich sollte sich die Antwort ja erübrigen. Spätestens seit dem VW-Dieselskandal ist offenkundig, dass Kunden in Deutschland verglichen mit Verbrauchern in den USA kaum Rechte haben. Scharen von VW-Fahrern in den USA haben Schadenersatz bekommen, Kunden in Deutschland sind leer ausgegangen. Ein beschämender Befund.
Dürfen nur die Verbraucherzentralen klagen?
Immerhin hat der Fall die Politik in Deutschland dazu ermuntert, etwas zur Stärkung der Rechte der Verbraucher zu unternehmen. Aber in letzter Minute hat den Gesetzgeber der Mut verlassen. Es wurden Einschränkungen und Bedingungen in das Gesetz aufgenommen, von denen zuvor keine Rede war und die nun die Klagemöglichkeiten einschränken können. Sollten die Gerichte ihre Spielräume nicht nutzen und so restriktiv urteilen wie das Oberlandesgericht Braunschweig im Fall Volkswagen, dann wäre für den Verbraucherschutz unter dem Strich kaum etwas gewonnen. Wer nur nach Möglichkeiten sucht, eine Klage zu verhindern, um die Industrie vor Ansprüchen zu schützen, der wird gewiss fündig werden.
Ohne jeden Abstrich klageberechtigt sind nach dem gegenwärtigen Stand wohl nur die überwiegend öffentlich finanzierten und gemeinnützigen Verbraucherzentralen. Es stünde deshalb den Gerichten gut an, wenn sie bei der Prüfung anderer Organisationen großzügig sind. Die Justiz sollte sich weniger um die Klagebefugnis als vielmehr um den Gegenstand der Klage kümmern. Deshalb wird der Prozess gegen die Mercedes-Bank vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, der am Freitag beginnt, aufmerksam verfolgt werden. Auf den Richtern lastet einige Verantwortung.