Das Stuttgarter Verwaltungsgericht nimmt sich erneut das Verbot von gewerblichen Sammlungen im Kreis Böblingen vor. Der AWB beansrucht die ausgemusterten textilien für sich – um mit dem Erlös die Müllgebühr senken zu können.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Der Abfallwirtschaftsbetrieb Böblingen (AWB) will mit Hilfe von Altkleidern die Müllgebühren senken – und deshalb gewerbliche Sammlungen verbieten. Wegen dieser Praxis ist der kreiseigene Entsorger von dem Unternehmer Martin Mronsch am Verwaltungsgericht Stuttgart verklagt worden. Bei der mündlichen Verhandlung am Donnerstag ging es einerseits um die Frage, wie seriös der gewerbliche Sammler ist und ob dem AWB tatsächlich eine Art Monopolstellung zusteht. Schon zweimal unterlag der Abfallwirtschaftsbetrieb vor Gericht. Der Unternehmer hatte vor vier Jahren gegen das Verbot Widerspruch eingelegt und war darin sowohl vom Stuttgarter Verwaltungsgericht als auch vom baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden. Der AWB wertete es hingegen vor zwei Jahren als Erfolg, dass das Stuttgarter Regierungspräsidium seine Rechtsauffassung teilt. Ein Urteil ist noch nicht gefallen.

 

Mehr als 1000 Seiten Gerichtsakten

Mehr als 1000 Seiten umfassen die Akten des Verfahrens. Als „komplexen Fall“ bezeichnete auch Karoline Stegemeyer, die Vorsitzende Richterin der 14. Kammer des Stuttgarter Verwaltungsgerichts, den Streit um die Altkleider. Mit Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes im Oktober 2012 hatte der Böblinger Abfallwirtschaftsbetrieb beschlossen, selbst in das Geschäft einzusteigen und allen gewerblichen Anbietern das Sammeln untersagt. Die Wirtschaftlichkeit der öffentlich-rechtlichen Sammlung werde durch die gewerblichen Altkleiderverwerter gefährdet, hieß es. Als unverhältnismäßig wurde diese Untersagung in der ersten Instanz abgelehnt.

Mittlerweile begründen der Landkreis und das Regierungspräsidium (RP) das Verbot mit Gebührenausfällen. Mindestens eine Million Euro entgehen dem AWB durch die Container von Martin Mronsch. Mit diesem Betrag könnte die Grundgebühr für jeden Haushalt um sechs Euro im Jahr gesenkt werden. Da Altkleider als Abfall gelten, sieht der AWB die Zuständigkeit für die Entsorgung bei sich – wie es für jede Art von Müll auch gesetzlich festgelegt ist, um die richtige Entsorgung sicher zu stellen. Die gewerbliche Sammlung dürfe nicht dem öffentlichen Interesse entgegen stehen, argumentierte Andrea Vetter, die Anwältin des Regierungspräsidiums. „Wenn die Öffentlichkeit sammelt, muss die gewerbliche Sammlung untersagt werden.“

Auf den Containern kleben Spendenaufrufe

Außerdem hält der AWB das Unternehmen von Martin Mronsch für unzuverlässig: Auf seinen Containern kleben teilweise Spendenaufrufe des Vereins Hedi – Helfen Direkt. „Das ruft einen falschen Eindruck hervor“, sagt Andrea Vetter, denn die Altkleider werden nicht für diese Organisation gesammelt. Außerdem bemängelte sie, dass die Firma trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachgewiesen habe, wie die Textilien verwertet werden. Alexander Gläser, der Anwalt des Klägers, behauptete zwar, dass er einen Abnahmevertrag vorgelegt habe, konnte ihn in der Verhandlung aber nicht präsentieren. Er kritisierte, dass der AWB über die Container des Deutschen Roten Kreuzes in die Altkleidersammlung eingestiegen sei und Miete dafür bezahle. „Dass nicht das DRK sammelt sondern der Kreis, wird nicht offensichtlich“, sagte er.

Für die Vorsitzende Richterin dient vor allem ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als Entscheidungsgrundlage. Sie räumte allerdings ein, dass die Aussagen darin diffus seien. Demnach sei eine Untersagung die Ultima Ratio. Bevor eine Sammlung verboten werde, müsse eine Prüfverfahren stattfinden. Das konnte sie in diesem Fall nicht erkennen. Und sie hielt es für fraglich, dass dem Entsorgungsträger das Recht auf das gesamte Aufkommen an Altkleidern zusteht. Schließlich sei der AWB in den Markt eingetreten – und nicht Martin Mronsch. Laut dem europäischen Recht müsse der Wettbewerb zugelassen bleiben. Auch habe der kreiseigene Betrieb keine Verluste erlitten, sondern seine Mengen seither vielmehr gesteigert – von 550 auf nunmehr 1800 Tonnen im Jahr.

Karoline Stegemeyer kündigte eine Entscheidung für Freitag an. Für den Landkreis Böblingen ist es ein Musterverfahren: Es liegen 40 weitere Widersprüche vor.