Justizministerin Barley mag sich mental schon halb im Europawahlkampf befinden. Doch sie sollte rasch ein Signal geben, wie es mit den Musterverfahren für Kapitalanleger weitergeht, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es ist ein schönes Wort für eine unschöne Sache. Sunset, Sonnenuntergang – so nennen Juristen das Auslaufen jenes Gesetzes, das seit einigen Jahren Musterverfahren von Kapitalanlegern gegen Unternehmen ermöglicht. Bleibt es bei der Befristung bis nächstes Jahr, würde es in der Tat düster für die Kläger. Alle noch offenen Prozesse fielen dann in sich zusammen, jeder einzelne Betroffene müsste ein neues Verfahren anstrengen. Nur die Beklagten – etwa die Autokonzerne – könnten sich die Hände reiben. Der Rechtsschutz, den die Justiz garantieren soll, würde ad absurdum geführt.

 

Ministerin sollte Tempo machen

Schwer vorstellbar, dass es die Bundesjustizministerin wirklich so weit kommen lässt. Doch das Thema scheint bei ihr keine hohe Priorität zu haben. Das Gesetz wird derart gemächlich überprüft, dass die Kläger, ihre Anwälte und auch Richter zu Recht unruhig werden. Den Beklagten kommt die Hängepartie hingegen zupass. Schon fragt die Opposition, ob dahinter nicht Absicht steckt. Auch wenn Ministerin Barley als SPD-Spitzenkandidatin mental schon halb im Europawahlkampf steckt, sollte sie bei der Untersuchung Tempo machen und rasch ein Signal geben, wie es mit dem Gesetz weitergeht. Ob es verlängert wird oder eine Übergangsregelung kommt: alles wäre besser als ein Auslaufenlassen – und als die wachsende Ungewissheit.