Zum Schutz der Müllgebührenzahler soll ein Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts von der nächst höheren Instanz überprüft werden. Roland Bernhard will weiterhin ein Verbot gewerblicher Sammlungen durchsetzen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Roland Bernhard ist nach wie vor optimistisch: „Wir rechnen uns gute Chancen aus“, erklärte der Landrat. Deshalb legt das Landratsamt Berufung gegen ein Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts ein, das das Verbot von gewerblichen Altkleidersammlungen im Kreis aufgehoben hat. Die Behörde hatte vor vier Jahren einem Unternehmer untersagt, im Kreis Böblingen seine Container für gebrauchte Textilien aufzustellen. Dagegen wehrte er sich erfolgreich vor Gericht. Der Landrat will das Urteil nun vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim überprüfen lassen. „Da geht es um sehr viel Geld“, begründete er am Montag den Schritt. Seiner Ansicht nach steht eine gewerbliche Sammlung dem öffentlichen Interesse entgegen, denn mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Altkleider können die Müllgebühren gesenkt werden.

 

Rund eine Million Euro geht durch die Konkurrenz verloren

Rund eine Million Euro würde der kreiseigene Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) zusätzlich einnehmen, wenn die gewerbliche Konkurrenz ausgeschaltet wäre. „Ich gönne jedem Unternehmer, dass er Geld verdient“, sagte der Landrat. Aber in dieser Branche seien auch „windige Burschen“ am Markt. Dem Kläger warf die Kreisbehörde vor Gericht auch vor, dass er irreführende Aufkleber an seinen Container angebracht habe. Darauf wurde um Spenden für einen karitativen Verein geworben, obwohl die eingeworfenen Altkleider nicht diesem guten Zweck dienten. Von der gewerblichen Sammlung würden nur einzelne private Firmen profitieren. „Wir gehen in die Berufung, um damit die Bürger im Landkreis vor zu hohen Abfallgebühren zu schützen“, erläuterte Roland Bernhard.

Die Grundlage für seinen Optimismus ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Danach genießen die Erfassungssysteme von öffentlichen Sammlern einen besonderen Schutz. Die Richterin Karoline Stegemeyer vom Stuttgarter Verwaltungsgericht hatte die Rechtssprechung allerdings ganz anders interpretiert als Andrea Vetter, die Anwältin des Kreises und des Stuttgarter Regierungspräsidiums. Dabei ging es um die Frage, wann eine gewerbliche Sammlung eine öffentlich-rechtliche Sammlung wesentlich beeinträchtigt. Erst dann kann der Firma nämlich das Aufstellen von Containern verboten werden.

Unterschiedliche Interpretationen eines Urteils

Die Anwältin war der Meinung, dass laut dem Urteil diese Grenze erreicht ist, wenn durch gewerbliche und gemeinnützige Sammlungen mehr als 15 Prozent der gesamten Altkleidermenge in einem Kreis abgeschöpft werden. Dies sei in Böblingen der Fall: Neben den rund 300 Containern des AWB stehen laut dessen Schätzungen noch rund 350 solcher Sammelbehälter von Gewerbebetrieben im Kreisgebiet. Die Richterin war aber der Auffassung, dass die Sammeltätigkeit des AWB nicht von den anderen Containern beeinträchtigt worden ist, weil der Landkreis trotz der Konkurrenz seine Menge in den vergangenen vier Jahren mehr als verdreifacht hat.

Parallel zu dem Verfahren hat Roland Bernhard alle Kreisbewohner dazu aufgerufen, ihre Altkleider in die Sammelbehälter des AWB zu werfen. Sie sind an 164 Standorten und auf allen 31 Wertstoffhöfen aufgestellt. „So ist sicher gestellt, dass die Kleidung vernünftig verwertet wird und gleichzeitig die Einnahmen den Gebührenzahlern zugute kommen“, erklärte der Landrat. Im vergangenen Jahr hat der AWB genau 1809 Tonnen an Altkleider gesammelt. „Das ist ein gutes Ergebnis“, sagte Wolfgang Bagin. Der AWB-Leiter sieht allerdings noch ein Steigerungspotenzial von rund. 50 Prozent. Bisher erzielte der Abfallwirtschaftsbetrieb pro Tonne 500 Euro. Der Weltmarktpreis für Altkleider ist jedoch gesunken, weshalb der bisherige Abnehmer seinen Vertrag gekündigt hat. Nach einer Ausschreibung ging der Auftrag an einen neuen Bieter, der noch 367 Euro pro Tonne für die Altkleider bezahlt.