Das japanische Duo ShoShō startet im Hospitalviertel mit dem Projekt Wortschatz eine zweijährige Veranstaltungsreihe mit Mutmach-Aktionen.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. In Japan gehen die Weisen noch ein Stückchen weiter: Es kann nicht Gutes entstehen, wenn man es nicht ausspricht. Diese Haltung steckt in Kotoba für den Begriff Wörter. Koto bedeutet Sprechen und Ba bedeutet ein Blatt oder Blätter. Kotoba bedeutet ausgesprochene Worte. Soll also eine Sache in der Welt wirksam werden, muss sie ausgesprochen werden. Und dies kommt sozusagen vor jedem Handeln.

 

In dieser Tradition lebt auch das Künstlerduo ShoShō, Junko Yamamoto und Ichizu Hashimoto. „In der alten Zeit in Japan sagte man, dass Wörter eine Seele bekommen und Ergebnisse produzieren, wenn sie ausgesprochen werden“, sagt Junko Yamamoto. Ihre Partnerin Hashimoto ergänzt: „Schon meine Mama hat immer gesagt: Kind, du musst es aussprechen, wenn es passieren soll.“ Also lassen sie Leute – groß und klein – sprechen und nehmen die guten Botschaften digital auf. Zuletzt war das Duo im St. Agnes Gymnasium, der Johannes-Brenz-Schule und der eva:lino KiTa. Dort sammelten die beiden positive Wörter von Kindern.

Und weil Geben schon immer seliger war als nehmen, gaben die beiden dort ihre Kunst zum Besten. ShoShō gab nicht nur eine Einführung über Kalligrafie und Shō (japanische Mundorgel), die beiden Frauen regten auch zur Auseinandersetzung mit der Kunstkonzeption und ostasiatischer Kunst an. Im offenen Gespräch tauchten alle in die wunderbare Welt der guten Wörter ein. Nicht zuletzt aus diesem Grund nennen die Kalligraphin und Künstlerin Ichizu Hashimoto sowie die PianistinJunko Yamamoto ihr Gesamtprojekt Wortschatz. Denn in der Gesamtheit des Kunst-Projektes steckt mehr als nur Wortspielerei. ShoShō planen die mit Seele gefüllten Worte in die Welt und auf den Boden zu bringen: Am 20. Mai (9 bis 19 Uhr) beginnt die Sache auf dem Hospitalplatz und in der Büchsenstraße. ShoShō befragt Passanten, sammelt positive Worte wie in den Schulen. Zwischen den Interviews gibt ShoShō eine Performance, wobei Junko Yamamoto die traditionell japanische Mundorgel Shō spielt und Ichizu Hashimoto Kalligrafien aus diesen Wörtern macht. Die Kalligrafien werden anschließend auf dem Boden und zwischen den Bäumen präsentiert.

„Positive Worte“

In einer zweiten Kunstaktion am 20. Juni 2022 um 19 Uhr verarbeitet, rekonstruiert und vertieft ShoShō die in der ersten Aktion gesammelten Wörter für ihre Performance. Die Wörter schwingen als Resonanz in der Kalligrafie und in der Musik im Kirchenraum der Hospitalkirche. Es besteht dann auch die Möglichkeit für das Publikum, nach der Performance Kalligrafien mitzunehmen. Dann, so glauben die Japanerinnen, vibrieren und leben die positiven Worte an anderen Orten weiter. Und vielleicht werden sie dort auch im abendländischen Sinne zur Tat. Schließlich gibt es nichts Gutes außer man tut es.

Dieses Projekt ist ein Teil des Großprojektes „Hospitalité́ – das Hospitalviertel in Stuttgart als Kunstbezirk“. Ein Team von derzeit zwei Künstlern (Demian Bern und Martin Stortz) will in einer langfristigen Intervention das Hospitalviertel zum Kunstbereich erklären und in Kooperation mit dem Viertel, mit seinen Institutionen, mit Künstlern aller Branchen Kunst entwickeln und veranstalten. Dabei wird das Konzept mit Anwohnenden, Galerien, Werkstätten und anderen entwickelt, es gibt nichts Fertiges, höchstens Anstöße und Mutmach-Aktionen. Es geht dabei in erster Linie nicht um spektakuläre Events, sondern um eine möglichst in den Kiez integrierte und nachhaltige künstlerische Entwicklung. Deshalb wird das „Hospitalité-Projekt“ auf mindestens zwei Jahre angelegt. „Nach zwei Jahren Pandemie können wir im Hospitalviertel und insbesondere auch auf dem Hospitalplatz endlich wieder Veranstaltungen durchführen“, sagt Anna Karle von der Geschäftsstelle des Vereins Forum Hospitalviertel, „und wir freuen uns besonders, dass ein so tolles Projekt wie Wortschatz den Anfang macht“.