Weil sie in mehreren Dutzend Fällen indischen Asylbewerbern Scheinehen und falsche Papiere besorgt haben sollen, stehen acht Männer in Stuttgart vor Gericht.

Stuttgart - Der Verdacht war bereits im Laufe des Jahres 2018 aufgekommen. Im Einwohneramt Stuttgart stellte man fest, dass sich die Fälle von griechischen Frauen mit indischen Ehemännern häuften. Doch erst Insiderinformationen legten offen, dass hier eine mutmaßliche Schleuserorganisation am Werk war.

 

Im Mai vergangenen Jahres hatten Kriminalpolizei, Bundespolizei und Landeskriminalämter genügend Ermittlungsergebnisse gesammelt, um Razzien in Baden-Württemberg und im Saarland durchzuziehen. 500 Beamte hatten reichlich zu tun, um 60 Wohnungen, Gastronomiebetriebe und Büros zu durchsuchen. Schwerpunkte waren Stuttgart und Ludwigsburg, aber auch bei den Polizeipräsidien Aalen, Reutlingen, Tuttlingen, Freiburg und Karlsruhe sowie bis ins Saarland hatte man reichlich Beweismaterial gesammelt.

In Weilimdorf durchsuchten die Beamten einen gastronomischen Betrieb, an der Schurwaldstraße im Stuttgarter Osten sicherten die Einsatzkräfte Kisten mit Unterlagen aus einer Asylunterkunft.

Mehr als 50 Einzeltaten

Jetzt hat der Prozess gegen acht Männer im Alter zwischen 34 und 60 Jahren vor der 7. Strafkammer des Landgerichts begonnen. Oberstaatsanwältin Alexandra Neidhard benötigt mehr als 90 Minuten, um den umfangreichen Anklagesatz mit mehr als 50 Einzeltaten vorzutragen.

Auf der Anklagebank sitzen sechs Inder, ein Deutscher indischer Herkunft und ein Deutsch-Afghane aus Stuttgart, Waiblingen, Herrenberg und Magstadt. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten vor allem indischen Männern zwischen 2014 und 2019 EU-Aufenthaltskarten beschafft. Dafür sollen die Männer Paketpreise von 15 000 Euro bis zu 25 000 Euro verlangt haben. Mehrere weitere Verfahren gegen mutmaßliche Komplizen sind noch anhängig.

Die Kundschaft der Bande rekrutierte sich laut Anklage meist aus abgelehnten Asylbewerbern, die zur Abschiebung in ihr Heimatland anstanden. Die Männer und in Einzelfällen auch Frauen, die ihr Asylverfahren unter falschen Namen geführt hatten, tauchten unter und tauchten wieder auf – dieses Mal mit ihrem richtigen Namen. Und sie präsentierten den Ausländerbehörden eine Heiratsurkunde mit einem EU-Bürger oder einer EU-Bürgerin, gefälschte Arbeitsverträge und Einkommensnachweise. So kamen sie zu EU-Aufenthaltskarten. Die Scheinehegattinnen und -gatten wurden mit mehreren Tausend Euro entlohnt, die Arbeitsnachweise stammten oft von von Mitgliedern der Bande, die gastronomische Betriebe hatten.

Plötzlich Ehemann einer EU-Bürgerin

So soll beispielsweise ein Inder 2015 unter einem Aliasnamen nach Deutschland eingereist sein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er bekam eine Duldung. Im September 2017 nahm er, weil seine Abschiebung bevorstand, Kontakt zu der bestens vernetzten Schleuserorganisation auf. Er entrichtete den Paketpreis in Höhe von 15 000 Euro und reiste im Februar 2017 nach Griechenland, wo eine heiratswillige Griechin auf ihn wartete.

Nach der feierlichen Hochzeit in Athen reiste er zurück nach Deutschland, wo er sich dann als Ehemann einer EU-Bürgerin vorstellte. Mit den falschen Arbeitspapieren bekam er anschließend eine EU-Aufenthaltskarte mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren. Als bezahlte Scheinehefrauen standen der Organisation vor allem Griechinnen, Zypriotinnen und Rumäninnen zur Verfügung.

Die Zahl der Fälle gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens ist 2018 vor allem wegen der verbotenen Verkuppelungen von Wildfremden laut Bundeskriminalamt (BKA) um 84 Prozent auf offiziell 223 gestiegen, auch bei den Verdächtigen gibt es laut BKA-Bundeslagebild einen deutlichen Anstieg um 82 Prozent auf 340.