Die Polizei hat dank eines umfassenden Fahndungskonzepts einen 23-jährigen mutmaßlichen Vergewaltiger zweier Frauen in Nürtingen festgenommen. Nun wird geprüft, ob ihm weitere Taten zur Last gelegt werden können. Es gibt durchaus Parallelen zu anderen Fällen.

Nürtingen - Die Fälle sind selten und bilden die Horrorvorstellungen jeder Frau ab: Ein wildfremder Mann lauert ihnen in der Dunkelheit auf, verfolgt und überwältigt sie und vergeht sich brutal an ihnen. Zwei solcher Verbrechen – begangen am 21. Oktober und am 1. November – werden einem 23-jährigen Mann vorgeworfen, der am Sonntag von der Polizei in Nürtingen festgenommen wurde und inzwischen in Untersuchungshaft sitzt. Der mutmaßliche Vergewaltiger hat ein Teilgeständnis abgelegt. Der rasche Fahndungserfolg ist laut Martin Raff, einem Sprecher des Reutlinger Polizeipräsidiums, „einer speziellen Fahndungskonzeption“ mit starken Kräften und einer großen Präsenz im Nürtinger Stadtgebiet zu verdanken. Die Vorgehensweise der Polizei sei aufgegangen: „Das freut uns natürlich.“

 

„Geschulte und gebriefte“ Polizeibeamte

Ob der 23-jährige Nürtinger am Sonntagmorgen gegen 2.30 Uhr in der Innenstadt eine weitere Frau vergewaltigen wollte, ist unklar. Aber die Vermutung ist naheliegend, denn bei seiner Festnahme durch Beamte der Kriminalpolizei und des Nürtinger Polizeireviers folgte er gerade einer Fußgängerin mit etwas Abstand und hatte unter anderem eine Schreckschusswaffe, eine Sturmhaube und Kondome bei sich.

Dass die Polizisten zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren, um eine weitere Vergewaltigung zu verhindern, kommt nicht von ungefähr. Seit dem schweren Übergriff auf eine 19-Jährige in den frühen Morgenstunden des 1. November seien „geschulte und gebriefte“ Polizisten verschiedener Einheiten und Reviere zu den „tatrelevanten Zeiten“ im Stadtgebiet unterwegs gewesen, erklärt Raff. Darauf, wie viele Beamte neben der zehnköpfigen Ermittlungsgruppe eingebunden waren, könne und wolle er nicht detailliert eingehen. Schließlich wolle die Polizei ihr Konzept nicht gänzlich offen legen. Der in Untersuchungshaft sitzende 23-Jährige sei in der Vergangenheit bereits zweimal „polizeilich in Erscheinung getreten“, sagt Martin Raff. Allerdings habe es sich dabei nicht um einschlägige Delikte gehandelt.

Nach den Vergewaltigungen einer 30-Jährigen am 21. Oktober und der 19-Jährigen am 1. November – jeweils begangen gegen 5 Uhr morgens – war die Polizei aufgrund der örtlichen Nähe der Fälle und der ähnlichen Personenbeschreibungen durch die beiden Opfer von ein und demselben Täter ausgegangen. Dieser sei nun offenbar gefasst und habe die Vorwürfe „teilweise“ eingeräumt, sagt Raff. Welche, könne er nicht preisgeben, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen.

Es liegt nahe, dass der Verdächtige zugegeben hat, die 19-Jährige auf ihrem Nachhauseweg vom Bahnhof niedergeschlagen und vergewaltigt zu haben. Denn die Beweislast ist in diesem Fall hoch: Die DNA der am Opfer sichergestellten Täterspuren und die einer Speichelprobe des mutmaßlichen Vergewaltigers stimmen laut der Polizei überein.

Parallelen zu weiteren Fällen?

Die DNA des Täters werde zurzeit „standardmäßig“ mit Spuren abgeglichen, die bei weiteren, nicht aufgeklärten Sexualdelikten gesichert worden seien. Die Ergebnisse, die Aufschluss darüber geben, ob der 23-Jährige für weitere Taten verantwortlich ist, stünden noch aus, sagt Raff. Zur Erinnerung: Am Wochenende des 22. und 23. September hat in Wernau ein maskierter Unbekannter versucht, zwei 15 und 16 Jahre alte Mädchen zu vergewaltigen. Die Vorgehensweise und die Personenbeschreibungen weisen einige Parallelen zu den Nürtinger Fällen auf. Beispielsweise soll der Täter „akzentfreies Deutsch“ gesprochen haben.

Bei Sexualdelikten handle es sich meist um Beziehungstaten, erklärt Raff. In den beiden vor der Aufklärung stehenden Fällen in Nürtingen hätten sich der Täter und die Opfer aber nicht gekannt. Das mache die Ermittlungsarbeit schwieriger. Dass der mutmaßliche Sexualstraftäter dennoch so schnell gefasst wurde, sorgt in Nürtingen für Erleichterung. Der Oberbürgermeister Otmar Heirich spricht den Opfern nochmals seine Anteilnahme aus und dankt der Polizei für ihre „akribische Arbeit und mehr als gute Wachsamkeit“.