Varinia Kichherr hat Mukoviszidose. Und zwei kleine Kinder. Die 32-Jährige aus Calw hat sich bewusst für eine Familie entschieden – auch weil ihr Mann und die Kinder ihr die Kraft geben, besser auf sich aufzupassen und gegen die Krankheit zu kämpfen.

Ditzingen/Calw - Auf den ersten Blick sind die Kirchherrs aus Calw eine ganz normale Familie: Vater, Mutter und zwei kleine Kinder. Eines jedoch trübt das Familienglück: Mutter Varinia Kirchherr hat Mukoviszidose. Trotzdem haben ihr Mann und sie sich bewusst für Kinder entschieden. „Ich wollte schon immer Mama werden. Außerdem geht es mir verhältnismäßig gut. Ich bin nicht krank, ich habe Muko“, sagt die 32-Jährige. Bereits mit Anfang 20, kurz nach ihrer Hochzeit, hatte sie sich bei ihren Ärzten informiert, ob sie Kinder bekommen könne. Und ihr Mann ließ sich testen, ob er das Mukoviszidose-Gen in sich trage. In dem Fall hätten die Chancen auf eine Erkrankung des Kindes bei 50 Prozent gelegen. Aber ihr Mann ist gesund. Und die Ärzte gaben grünes Licht.

 

Trotzdem dauerte es noch etwas, bis ihr erster Sohn Benedikt vor dreieinhalb Jahren zur Welt kam. Denn durch die Krankheit war der Weg zu Kirchherrs Gebärmutter verschleimt, sodass sie dem Glück in einer Kinderwunschklinik nachhelfen mussten. Auch bei Nesthäkchen Rafael, das heute ein halbes Jahr alt ist, nahm das Ehepaar ärztliche Hilfe in Anspruch.

Die Mutter erklärt dem Kind ihre Krankheit

Während der neun Monate wurde Kirchherr von den Ärzten in kurzen Abständen überwacht: alle zwei bis drei Wochen war sie beim Frauenarzt, alle zwei Wochen beim Diabetologen und alle vier Wochen in der Lungenfachklinik. „Die Schwangerschaften habe ich aber ganz gut vertragen. Bis auf Diabetes hatte ich keine Beschwerden.“ Allerdings hat sich Kirchherrs Lungenvolumen durch die Schwangerschaften langfristig um etwa zehn Prozent verringert.

Mit Blick auf die Krankheit hat die Familie bewusst zwischen den beiden Jungs einen größeren Altersabstand gewählt. „Der Große sollte schon etwas selbstständiger sein, wenn sein Bruder kommt“, sagt Kirchherr. Vor etwa drei Monaten hat sie ihrem Dreijährigen ihre Krankheit erklärt, mit einem Kinderbuch über Mukoviszidose. „Mein Sohn hat verstanden, dass das was anderes ist als der Erkältungshusten, den er damals hatte.“

Toiletten putzen ist verboten

Zweimal am Tag ist Kirchherr für eine Stunde mit ihrer Inhalationstherapie und Atemgymnastik beschäftigt. In der Zeit müssen sich die Kinder selbst beschäftigen, wenn sie nicht schon im Bett sind oder noch schlafen. Der kleine Benedikt könne sich dabei schon ganz gut alleine beschäftigen, bei den Übungen mache er zum Teil sogar manchmal mit, erzählt Kirchherr. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich zwei so geduldige Kinder habe“, sagt Kirchherr.

Außerdem wohnen die Großeltern der Kinder in der Nähe und unterstützen die Eltern und vor allem Varinia Kirchherr. „Das ist für mich sehr beruhigend zu wissen“, sagt Kirchherr. So weit es geht, kümmert sie sich jedoch selbstständig um Kinder und Haushalt. „Toilettenputzen darf ich aus Hygienegründen allerdings nicht. Das muss mein Mann machen.“ Und für körperlich anstrengende Arbeiten wie Fensterputzen hat sie eine Haushaltshilfe.

„Ich lasse es mir aber nicht nehmen, mit meinen Kindern zu spielen, auch draußen, auf dem Spielplatz“, sagt die gelernte Sekretärin. „Im Matsch wühle ich zwar nicht, aber ich bin da immer dabei.“ Sie versuche, dem Alltag mit gesundem Menschenverstand entgegenzutreten und sich nicht verrückt machen zu lassen.

Das Wir-Gefühl beim Ditzinger Lebenslauf

„Meine Kinder geben mir Kraft und Motivation, fitter zu bleiben und noch besser auf mich zu achten“, sagt sie. Ihre Lebenserwartung liege derzeit bei 40 Jahren, aber das sei für sie kein Ultimatum. „Ich habe nicht zwei Kinder bekommen, um die in acht Jahren alleine zu lassen.“ Andererseits sind sich Kirchherr und ihr Mann bewusst, dass ein Infekt ihren Gesundheitszustand jederzeit negative verändern könnte. „Ich tue meinen Teil dafür, dass es mir gut geht. Alles andere liegt in Gottes Hand. Ich hoffe aber das Beste und glaube das Beste.“ Trotzdem will sie das Thema Tod auch mit ihren Kindern besprechen, wenn diese älter sind.

Gleichzeitig setzt sie ihre Hoffnungen auf den Fortschritt in der Medizin. „Anfang der 90er Jahre war Mukoviszidose noch eine Kinderkrankheit. Heute dürfen sich die Betroffenen Gedanken machen über das Kinderkriegen und das Rentenalter“, sagt Kirchherr. Ihre eigene Kinderplanung ist aber bereits abgeschlossen. „Sollte es auf dem natürlichen Weg passieren, würden wir uns freuen, aber bewusst planen wir keine Kinder mehr.“ Mit der Krankheit habe das aber wenig zu tun.

Beim diesjährigen Lebenslauf am 7. April in Ditzingen ist Kirchherr zwar nicht dabei, „ansonsten helfe ich regelmäßig mit und verteile Gummibänder oder schnipple Bananen für die Läufer.“ Sie sei mit dem Event aufgewachsen und freue sich über den Zuspruch, den der Lauf mittlerweile von allen Seiten erhalte. „Außerdem helfe ich auch gerne beim Lebenslauf, weil ich finde, dass dort ein besonderes Wir-Gefühl herrscht.“