In Griechenland häufen sich die Meldungen über vermisste und tödlich verunglückte Touristen. Seit Anfang Juni sind die Leichen von sechs ausländischen Urlaubern gefunden worden, darunter zuletzt die eines 67-jährigen Deutschen. Keiner von ihnen wurde Opfer eines Verbrechens. Was ist der Grund für diese rätselhafte Todesserie?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

In Griechenland ist erneut ein ausländischer Tourist tot aufgefunden worden. Auf Kreta ist ein 67 Jahre alter deutscher Tourist ums Leben gekommen, der sich auf eine stundenlange Wanderung begeben hatte, vermutlich vom Weg abkam und schließlich nur tot geborgen werden konnte. Damit steigt die Zahl derer, die sich in großer Hitze auf den Weg machten und dabei umkamen, auf sechs Menschen seit Anfang Juni. Weitere drei werden seit über einer Woche vermisst.

 

Deutscher auf Kreta tot geborgen

Gestartet war der Mann am Sonntagmorgen (23. Juni) im Dorf Omalos auf einer Hochebene im Regionalbezirk Chania, wie der griechische Nachrichtensender ERT am Montag (24. Juni) unter Berufung auf die Behörden berichtete. Ziel sei das über 30 Kilometer entfernte Fischerdorf Sougia gewesen

Seine Ehefrau soll ihn am Sonntagnachmittag als vermisst gemeldet haben. Zuvor hatte der Mann sie angerufen und angegeben, es ginge ihm nicht gut. Die Rettungskräfte baten darum, der Wanderer solle die Notrufnummer 112 wählen, damit sie sein Handy orten könnten. Gefunden und mit dem Hubschrauber tot geborgen wurde er schließlich am frühen Montagmorgen in der felsigen, schwer zugänglichen Schlucht von Tripiti. Die Behörden gehen davon aus, dass er die Orientierung verlor und falsch abbog. Vom Startpunkt der Wanderung bis zum Fundort hatte er Dutzende Kilometer zurückgelegt.

Sechs tote Touristen im Juni

Es ist der sechste Todesfall in Verbindung mit touristischen Wanderungen und Hitze in Griechenland allein im Monat Juni. Bei den Verstorbenen und Vermissten handelt es sich ausnahmslos um Ausländer im Alter zwischen 55 und 80 Jahren.

Einige Tage zuvor war die Leiche eines 55-jährigen US-Bürgers an einem Strand in der Nähe des alten Hafens der kleinen Insel Mathraki entdeckt worden, wie griechische Medien am Sonntag (16. Juni) berichteten. Der US-Bürger war zuletzt am Dienstag (11. Juni) gesehen worden und galt als vermisst.

Er war nach Angaben der Athener Nachrichtenagentur gemeinsam mit einem griechisch-amerikanischen Freund im Urlaub auf Mathraki. Seine Leiche sollte zur Autopsie auf die nahe gelegene Insel Korfu gebracht werden.

Mysteriöse Serie von Todesfällen

Mit dem Tod des bekannten britischen TV-Arztes und Buchautors Michael Mosley Anfang Juni hatte die unheilvolle Serie tödlicher Wander-Unfälle in Griechenland begonnen. Inzwischen sind in den vergangenen 14 Tagen insgesamt neun ausländische Touristen in griechischen Urlaubsgebieten als vermisst gemeldet und sechs von ihnen tot aufgefunden werden. Bei keinem der Toten gibt es Hinweise auf ein Verbrechen.

  • Symi: Anfang Juni war die Leiche von Michael Mosley auf der Insel Symi entdeckt worden. Seine Ehefrau hatte Alarm geschlagen, weil der 67-Jährige auf der Ägäis-Insel zu einem Küstenspaziergang aufgebrochen und nicht zurückgekommen war.
  • Samos: Ein 74-jähriger Niederländer wurde von der Feuerwehr am Samstag (15. Juni) tot auf Samos gefunden. Mit Hilfe einer Drohne entdeckte man seine Leiche in einer unwegsamen Schlucht.
  • Kreta: Ein 80-jähriger Tourist ging am Donnerstag (13. Juni) auf der Insel Kreta wandern und kehrte nicht mehr zurück. Man fand seine Leiche am Freitag (14. Juni) nahe der archäologischen Stätte von Malia.
  • Kreta: Ein 70 Jahre alter Franzose war jüngst ebenfalls auf Kreta in der Mittagshitze auf einem Strand bei Sitia tot zusammengebrochen.
  • Amorgos: Inzwischen wird nach einem 59-jährigen US-Amerikaner auf der Insel Amorgos gesucht. Am Dienstag (11. Juni) war er zu einer Wanderung zum Dorf Katapola aufgebrochen. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen von ihm.
  • Amorgos:Auf derselben Insel wird seit Tagen nach einem weiteren vermissten Touristen gesucht.
  • Sikinos: Auf der kleinen Ägäis-Insel Sikinos werden zwei Französinnen im Alter von 64 und 73 Jahren vermisst.

Extreme Hitzewelle in Griechenland

Der Grund, warum es zu dieser mysteriösen Häufung von Todes- und Vermisstenfällen gekommen ist, dürfte in der gegenwärtigen extremen Hitzewelle in Griechenland zu suchen sein. In manchen Gegenden werden Temperaturen von 45 Grad gemessen.

Für die Touristen in Athen hat das griechische Rote Kreuz Stände mit Personal am zentralen Syntagma-Platz und an der Akropolis eingerichtet. Dort verteilen die Mitarbeiter auch gratis Wasser.

Einheimische und Touristen wird geraten, die heißen Mittagsstunden im Freien zu meiden, viel Wasser zu trinken, auf Alkohol zu verzichten, nicht zu schwer zu essen und keinen Sport im Freien zu treiben. Und das bedeutet auch: auf anstrengende Wanderungen zu verzichten.

Urlauber gehen trotz Extremhitze wandern

Doch offenbar ignorieren einige Urlauber die öffentlichen Warnungen und versuchen den klimatischen Extrembedingungen zu trotzen. „Es ist nicht klug, bei solcher Hitze Wanderungen zu unternehmen“, warnt der Chef eines Rettungsteams auf der Insel Samos. Manche Leute würden bei über 40 Grad ohne Kopfbedeckung ins Freie gehen. „Das ist gegen jede Logik.“

Die Ursachen, bei Wanderungen im Urlaub Schaden zu kommen und verletzt zu werden, sind zahlreich. Bei tödlichen Wanderunfällen gibt es Experten zufolge drei Ursachen, die besonders häufig auftreten. Das gilt für die Alpen genauso wie für Griechenland:

  • Herz-Kreislaufversagen
  • Stürze, Stolpern und Ausgleiten
  • Abstürze

Zu wenig Wasser, kein Handy, keine Wanderkarte

Viele Touristen überschätzen zudem ihre Kräfte und Kenntnisse. Sie gehen leichtsinnig auf eine beschwerliche Tour, oft ohne geeignete Wanderschuhe, ohne ausreichenden Sonnenschutz und mit viel zu wenig Wasservorrat. In der Hitze verliert man viel Körperflüssigkeit und dehydriert sehr schnell. Wer als Tourist zudem ortsunkundig ist und keine ausgewiesenen Wanderkarten bei sich hat, kann sich schnell verlaufen.

Die verunglückten Touristen waren zudem alle alleine unterwegs. Niemand konnte also Hilfe holen. Und auf ein funktionierendes Handynetz ist in der Einöde  nicht immer Verlass. Auch Michael Mosley hatte offiziellen Angaben zufolge kein Smartphone bei sich. Offenbar kam er bei seiner Wanderung von der geplanten Route ab, verirrte sich und stürzte dann zu Tode (mit AFP/dpa-Agenturmaterial).