Die Laichzeit ist vorüber: Helfer des Naturschutzbundes haben wieder Schutzzäune abgebaut. Die Zahl der Amphibien ist nach einem leichten Anstieg im vorigen Jahr wieder gesunken. Dazu trägt auch ein possierlich aussehendes Tier bei.

Die Helferin vom Naturschutzbund (Nabu) Winnenden nimmt die kleine Schnecke, die sich am Krötenzaun aus gewelltem Kunststoff festgesaugt hat, und setzt sie vorsichtig ins Grüne. „Es gibt ja nicht mehr viele von ihnen“, sagt sie. Das gleiche gilt auch für Kröten, die vom Nabu mit viel Engagement und Einsatz von Krötenzäunen bei ihren jährlichen Laichgängen geschützt werden. Am Osterwochenende wurden die insgesamt rund zwei Kilometer Schutzwall wieder abgebaut.

 

Um den 20. Februar herum hatten Nabu-Engagierte die Zäune aufgestellt. „Das optimale Wanderwetter für Kröten liegt zwischen fünf und zehn Grad bei Regen“ sagt Reinhard Bretträger, Naturkundereferent und Kröten-Fachmann bei der Nabu-Gruppe Winnenden. Dann erwacht die nachtaktive, etwa zehn Zentimeter große Erdkröte aus der Winterstarre, kriecht aus ihrem Erdloch und macht sich – zumeist in der Zeit von 21 bis 23 Uhr – auf den Weg zu jenem Gewässer, in dem sie einst zur Welt gekommen ist, um dort ihren Nachwuchs abzulegen. Wobei die Erdkröten-Damen oft gleich mehrere Männchen zum Laichplatz schleppen und nach der Eiablage so erschöpft sind, dass sie sterben.

Auch der Fachmann ist ratlos

Doch das ist nicht der Hauptgrund dafür, dass es immer weniger Amphibien gibt. Das Ergebnis der diesjährigen Aktionen, bei denen Kröten gezählt werden, stimmt Reinhard Bretträger nachdenklich. Früher hätten sie nach Leuten gesucht, die den Unkentieren beim Überqueren der Asphaltpiste helfen. Nun suchten die Helfer nach Kröten, denen sie behilflich sein können. Mit Ausnahme des Abschnitts zwischen Lehnenberg und Spechtshof, wo die Population überraschend sogar leicht angewachsen ist, von 249 im vergangenen Jahr auf 277 in diesem Frühjahr, nehmen die Zahlen zusehends ab. „An was das liegen kann, dass an der einen Stelle die Zahl auf 277 angestiegen ist, müssen wir jetzt erforschen. Wir sind da im Moment auch ratlos“, sagt Reinhard Bretträger.

An allen anderen Strecken, zwischen Hößlinswart und Steinach sowie zwischen Erlenhof und Kottweil, werden trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen und täglicher abendlicher Sammelaktionen die Amphibien immer weniger. Besonders drastisch ist der Rückgang zwischen Erlenhof und Kottweil. Dort konnten im Jahr 2018 noch 852 Kröten gerettet werden. Dieses Jahr waren es gerade mal 114, die in den Zäunen hingen.

Der Klimawandel sei sicher ein Problem für die Kröten, aber auch die Waschbären, sagt Reinhard Bretträger. „Sie verbreiten sich rasend schnell und haben keine Fressfeinde, die sie daran hindern.“ Umso größer ist der Appetit der Waschbären selbst. In kurzer Zeit können sie komplette Populationen von Salamander, Molch, Unke, Kröte und Frosch und damit ganze Ökosysteme zerstören. „Wir sind machtlos und noch auf der Suche nach einer Lösung“, sagt Bretträger. Das Schießen von Waschbären sei innerorts nicht möglich, für die Jäger auch im Wald unattraktiv, da sie den Kadaver selbst entsorgen müssten. Zudem sei die Jagd auf Waschbären emotional problematisch. „Die Biester sehen einfach niedlich aus.“

Die Kröten, die die Nabu-Helfer während der rund sechswöchigen Wander- und Laichzeit in den Zäunen fanden, haben sie unter anderem zum Fischteich an der Straße von Berglen-Steinach nach Hößlinswart gebracht. Viel Laich hätten die Nabu-Helfer in diesem Frühjahr dort aber nicht gesehen, berichtet Reinhard Bretträger. Das gelte auch für die anderen beiden Laichgewässer an den von ihnen betreuten Strecken.

Waschbären freuen sich „über Lieferservice“

Hartmut Unger, Pressewart der Kreisjägervereinigung Waiblingen, verwundert das wenig. „Waschbären sind schlau. Sie warten schon hinterm Gebüsch, bis die Naturschützer mit den Kröten zum Teich kommen, und freuen sich über den Lieferservice.“ Waschbären seien nicht nur „verdammt intelligent“, stimmt Bretträger zu. „Sie sind zudem auch wahre Kletterkünstler.“

Nach rund vier Stunden sind alle Zäune abgebaut. Im nächsten Februar vor den ersten frostfreien Nächten werden sie die Kunststoffmauern wieder aufstellen – und hoffen, dass sie am Abend Kröten finden. Nach wie vor, sagt Reinhard Bretträger, sei der Autoverkehr der größte Kröten-Killer. „Dafür muss man nicht einmal das Tier überfahren.“ Der Unterdruck beim Vorbeifahren genüge, um eine Kröte zum Zerplatzen zu bringen. „Und zwar schon bei einem Tempo von mehr als 30 Kilometern pro Stunde.“

Amphibien im Kampf ums Überleben

Statistik
Der Verein Amphibien-Biotop-Schutz hat Daten von etwa der Hälfte der insgesamt 900 Sammelstellen im Land ausgewertet: Seit 2006 ging die Zahl der eingesammelten Tiere um 90 Prozent zurück. Besonders einschneidend waren die Trockenjahre 2018, 2019 und 2021, denn Kröten mögen es feucht.

Gefahren
 Nicht nur Autofahrer machen Kröten zu schaffen, sondern auch die zunehmende Versiegelung. Amphibien finden kaum noch Verstecke, und selbst Gärten präsentieren sich so aufgeräumt, dass sie keinen Schutz unter Laub oder im Unterholz bieten. Auch der Klimawandel gefährdet die Amphibien. Erdkröten graben sich im Sommer in die Erde, um es feucht und kühl zu haben. Sind die Nächte zu trocken und heiß, schaffen es die Tiere nicht aus ihren Erdlöchern heraus und leiden unter Mangelernährung. Hinzu kommt, dass ihre Nahrungsquelle – Insekten, Würmer, Schnecken – wegen des Artensterbens zunehmend versiegt.