Die Landespolitik diskutiert quasi nonstop über den Nationalpark. Dabei werde aber immer mehr die naturschutzpolitische Bedeutung vergessen, ist Nabu-Chef Baumann enttäuscht. Bei seinem Appell spielen auch Juchten- und Borkenkäfer eine Rolle.

Stuttgart - Im politischen Gezerre um den geplanten Nationalpark Nordschwarzwald gerät der Aspekt Naturschutz nach Meinung des Nabu-Landeschefs Andre Baumann immer stärker außer Acht. „Zunehmend habe ich den Eindruck, dass das ganze als Stellvertreterkrieg geführt wird“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. So gehe es um die Politik des Gehörtwerdens oder die Zukunft des ländlichen Raums, beispielsweise dass keine Straßen gebaut würden, wenn der Nationalpark kommt. „Da wird vergessen, dass der Nationalpark primär ein Naturschutzprojekt ist.“

 

Die Opposition versuche, in der Diskussion um den Nationalpark zu zeigen, wie schlecht die Landesregierung arbeite. „Dabei ist der Nationalpark kein grün-rotes Projekt, sondern ein Baden-Württemberg-Projekt“, sagte Baumann. „Ich bin enttäuscht, dass man über die naturschutzpolitische Bedeutung im Landtag nicht diskutiert, sondern nur über Kosten, Bürgerbeteiligung und angeblich geringe Auswirkungen auf den Tourismus“, monierte der Naturschützer.

Baumann verwies auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die vor wenigen Tagen die Forderung der nationalen Strategie zur Biodiversität erneuert hatte, wonach fünf Prozent der Waldfläche in Deutschland bis zum Jahr 2020 zu Wildnis werden sollen. „Man sollte bei dem ganzen politischen Hickhack innehalten und überlegen, wie man die Strategie im Land umsetzen will“, forderte Baumann. Der Nationalpark sei ein wichtiger Baustein, um die Marke zu erreichen.

„Es ist wichtig, dass wir wieder Urwälder schaffen“

Im früheren Waldland Deutschland sei ein solcher Park zudem wichtig, um die biologische Vielfalt zu schützen, betonte Baumann anlässlich des Internationalen Tags der Biodiversität an diesem Mittwoch. „Es ist wichtig, dass wir wieder Urwälder schaffen.“ So brauche etwa der Dreizehenspecht Borkenkäfer und zur Ernährung der Jungen eine besondere Art der Bockkäfer, die nur in alten Tannen vorkomme. „Dreizehenspechte wurden vor Jahren im Schwarzwald ausgewildert, weil es sie in Baden-Württemberg nicht mehr gab. Noch immer sind sie ganz selten“, sagte Baumann.

Viele Arten gebe es nicht mehr in überlebensfähigen Populationen, da ihre natürliche Umgebung zerstört sei. Als Beispiele nannte er den Juchtenkäfer, der aus dem Stuttgarter Schlossgarten bekannt ist, sowie Körnerbock und Heldbock, die etwa im Schwetzinger Schlossgarten lebten. „Ich finde es pervers, dass wir diese Urwaldreliktarten nur in alten Bäumen in Parks haben, weil ihre natürliche Heimat nicht mehr vorkommt“, sagte Baumann.

Baden-Württemberg sei eines der reichsten Länder. „Wir sollten es uns leisten, zehn mal zehn Kilometer Wald zur Bewahrung der Schöpfung unter Schutz zu stellen“, sagte Baumann. „Ich appelliere an die Fraktionen im Landtag, sich darüber Gedanken zu machen.“