Schon vor Jahren warnte die CDU vor staatlichen Hilfen, falls der „Drogeriekönig“ Schlecker Geld beiseite geschafft habe. Nach der Anklage sieht sie sich bestätigt. Finanzminister Nils Schmid (SPD) beteuert indes, man habe den Insolvenzverwalter damals eindringlich befragt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Hat die Landesregierung bei der Schlecker-Pleite im Jahr 2012 voreilig mit staatlichen Hilfen gewinkt, obwohl es Hinweise gab, dass Geld beiseite geschafft worden war? Nach der Anklage gegen den einstigen DrogeriekönigAnton Schlecker wegen Bankrotts sieht sich die Landtags-CDU in diesem schon damals geäußerten Verdacht bestätigt. Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) hingegen bestreitet etwaige Versäumnisse und verweist auf den Insolvenzverwalter: Fragen nach möglichen Privatentnahmen habe dieser seinerzeit „nach bestem Wissen und Gewissen“ beantwortet. Für die Prüfung mit Blick auf eine mögliche Bürgschaft sei aber nicht viel Zeit gewesen.

 

Schmid hatte bereits im Januar 2012 eine Landesbürgschaft ins Spiel gebracht: Eine solche wäre „denkbar“, wenn es zu einer Investorenlösung kommen und ein Investor ein tragfähiges Konzept vorlegen sollte, sagte er der „Wirtschaftswoche“. Bekanntlich kam es dazu nicht. Später bemühte sich Baden-Württemberg federführend zusammen mit anderen Bundesländern um eine Bürgschaft, um eine Transfergesellschaft für die Schlecker-Frauen mit zu finanzieren. Einen Antrag des Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz auf eine 70-Millionen-Bürgschaft dafür hatte der Bund zuvor abgelehnt. Die Länder-Lösung scheiterte jedoch am Widerstand Bayerns und der dortigen FDP.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Sommer 2012

Im Sommer 2012, als bereits Ermittlungen der Staatsanwaltschaft angelaufen waren, erkundigte sich die Landtags-CDU nach möglichen Insolvenzstraftatbeständen. Ihr Wirtschaftsexperte Reinhard Löffler wollte per Anfrage wissen, inwieweit solche für das Finanzministerium erkennbar waren oder ob es sie ausschließen könne. Minister Schmid habe seine Aussage im zuständigen Ausschuss, dass einer Bürgschaft genügend Sicherheiten gegenüberstünden, nicht ausreichend begründet. Bei einer rein inhabergeführten Firma könne sich der Insolvenzverwalter „recht schnell einen Überblick“ über fragwürdige Transaktionen verschaffen, meinte Löffler. Die Antwort des Finanzressorts: Man habe den Insolvenzverwalter früh nach dem Privatvermögen Schleckers gefragt. Es habe damals „keine gesicherten Erkenntnisse über ein signifikantes Privatvermögen oder anfechtbare Verschiebungen innerhalb der Familie“ gegeben. Anfang 2013 bekräftigte Schmid im Finanzausschuss erneut, seinerzeit hätten „den politischen Entscheidungsträgern keine Anhaltspunkte für fehlerhafte Informationen vorgelegen“.

Heute, da die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, sieht sich Löffler in seinem Argwohn bestätigt. Den Ermittlern zufolge wurden in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit „in insgesamt 36 Fällen Vermögenswerte beiseite geschafft und dem Zugriff der Gläubiger entzogen“. Schleckers Ehefrau und seine beiden Kinder sollen dabei geholfen haben. Mit angeklagt sind zudem zwei Wirtschaftsprüfer. Über die Zulassung der Anklage muss nun das Landgericht Stuttgart entscheiden.

Schmid sieht keine Versäumnisse seines Ressorts

Ungeachtet des Ermittlungsergebnisses sieht Minister Schmid weiterhin keine Versäumnisse seines Ressorts, wie ein Sprecher auf StZ-Anfrage mitteilte. „Herr des Verfahrens“ sei der vom Gericht beauftragte Insolvenzverwalter, der als Einziger an Betriebsgeheimnisse herankomme. Behörden könnten keine eigenen Ermittlungen vornehmen, es gelte der Grundsatz der Gewaltenteilung. Die Länder hätten die Prüfung des Insolvenzverwalters „nur kritisch begleiten“ können, „was auch im Rahmen der Möglichkeiten geschah“. Man habe „ständig“ nach möglichen Privatentnahmen gefragt, auch „weil es dazu fortgesetzt Spekulationen und Gerüchte gab“. Geiwitz habe „nach bestem Wissen und Gewissen“ Auskunft gegeben und nach Meinung der meisten Länder „seinerzeit sachangemessene Antworten geliefert“. Er habe jedoch stets eingeräumt, dass die Untersuchungen – mit einem Team von etwa 200 Mitarbeitern – noch nicht abgeschlossen seien. Erschwert worden seien diese durch die kurze Zeit von zwei Wochen, die Komplexität der Firmengruppe, die undurchsichtigen Verhältnisse Schleckers und das fehlende interne wie externe Controlling.

Auch wenn es zu einer Staatsbürgschaft gekommen wäre, wäre der Frage nach privaten Mitteln „gezielt weiter nachzugehen“ gewesen, sagte der Sprecher Schmids. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität müssten solche vorrangig herangezogen werden. Falls im Nachhinein „Entnahmen oder gar strafrechtlich-relevantes Handeln nachgewiesen worden wäre“, hätte eine Bürgschaft modifiziert oder sogar gekündigt werden müssen.