Die Landesregierung überprüft nach den Anschlägen von Paris ihr Anti-Terror-Paket vom Jahresanfang. Sind die Maßnahmen noch ausreichend oder muss nachgebessert werden? Innenminister Gall sieht für Baden-Württemberg eine hohe abstrakte Gefährdung.

Stuttgart - Nach den Anschlägen von Paris stellt die grün-rote Landesregierung ihr Anti-Terror-Paket vom Jahresbeginn auf den Prüfstand. Das Kabinett bat Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Dienstag in Stuttgart zu klären, ob die Maßnahmen ausreichen oder ob nachgesteuert werden muss. Für Baden-Württemberg gibt es nach Galls Worten nach wie vor eine hohe abstrakte Gefährdung. Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sind die Terroranschläge von Paris ein Angriff auf die Werte in Deutschland und in der Europäischen Union. „Diese Anschläge richten sich gegen ein selbstbestimmtes Leben und gegen eine freie Gesellschaftsordnung, die Toleranz und Meinungsfreiheit durch Grundrechte absichert.“

 

Bei der Terrorserie am Freitagabend in der französischen Hauptstadt waren mindestens 129 Menschen getötet und mehr als 350 verletzt worden. „Wir betrachten das als einen Angriff auf uns alle“, sagte Kretschmann. Wichtig sei, dass die Terroranschläge nun nicht mit dem Flüchtlingsthema vermengt würden. Viele Flüchtlinge flöhen genau vor solchen Terroristen. „Es ist wichtig, dass wir zusammenstehen in dieser Bedrohung.“ Auch Innenminister Gall appellierte, nicht zuzulassen, dass Terroristen einen Keil in die Gesellschaft trieben. Er gehe nicht davon aus, dass Weihnachtsmärkte in Baden-Württemberg abgesagt werden müssen. „Aber wir werden die Sicherheitslage sehr sorgfältig mit den Veranstaltern besprechen.“

FDP: Weitere Maßnahmen nötig

Nach den Anschlägen auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar in Paris hatte Baden-Württemberg ein Anti-Terror-Paket geschnürt. Es beinhaltet rund 130 zusätzliche Stellen bei Polizei, Verfassungsschutz und in der Justiz für den Kampf gegen den islamistischen Terror. Das Paket sei nun fast vollständig umgesetzt, sagte Gall. Zu Forderungen aus der Opposition nach einer deutlichen Aufstockung der Landespolizei sagte er: „Jeder Ressortminister kann mehr Personal gebrauchen, auch ich.“ Er wolle solche Forderungen aber nicht einfach in den Raum stellen, sondern schauen, wo sie fundiert untermauert werden und wo mehr Personal Sinn machen könnte.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke bezeichnete das Engagement der Landesregierung allerdings als „völlig ungenügend“. In Fachkreisen sei längst bekannt, dass weitere Maßnahmen nötig seien. „Vor allem die Grünen haben aber aus ideologischen Gründen kein Interesse, die Sicherheitsbehörden nachhaltig zu stärken. So will Grün-Rot die Situation nach den furchtbaren Terrorakten in Paris wohl aussitzen.“ Nötig sei eine Polizei, die in der Fläche präsent sei, und ein gut ausgestatteter Verfassungsschutz. „An beidem fehlt es.“

Keine Bezüge von Paris ins Land

Bezüge zwischen den Terroristen von Paris und Baden-Württemberg gibt es nach Galls Worten bislang nicht. Aber Nachahmungstäter könnten nicht ausgeschlossen werden. „Wir nehmen die Situation ernst. Wir beobachten die salafistische Szene.“ Nach Angaben des Innenministeriums gibt es aktuell Erkenntnisse über rund 50 Menschen, die aus Baden-Württemberg ins Kriegsgebiet nach Syrien und in den Irak reisten. 20 Menschen seien mittlerweile in den Südwesten zurückgekehrt. Es gebe eine „niedrige zweistellige“ Zahl von Gefährdern in Baden-Württemberg, sagte ein Sprecher. Gefährder sind Islamisten, denen ein Terrorakt grundsätzlich zugetraut wird und die besonders im Visier der Sicherheitsbehörden stehen.