Die Pannen der Geheimdienste bei der Beobachtung rechtsextremen Terrors empören alle Fraktionen. Leutheusser-Schnarrenberger fordert MAD-Auflösung.

Berlin - Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat nach der jüngsten Aufklärungspanne beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) dessen Abschaffung verlangt. „Das gehört jetzt ganz oben auf die politische Agenda“, sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Der MAD hatte in den 90er Jahren eine Akte über den späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos angelegt, was erst jetzt bekannt wurde. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sieht zwar im Umgang mit den MAD-Akten auch Versäumnisse im eigenen Haus. Aus heutiger Sicht sei das Verhalten des MAD in den 90er Jahren jedoch korrekt gewesen

 

Nach den am Vortag bekannt gewordenen und lange verschwiegenen MAD-Kontakten zu dem späteren Rechtsterroristen Mundlos plädieren auch Grüne und Linke für eine Auflösung der bisherigen Geheimdienste. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte im Deutschlandfunk einen radikalen Neuanfang bei Verfassungsschutz und MAD. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, sagte: „Die deutschen Inlandsgeheimdienste haben sich selbst jede Legitimationsgrundlage entzogen.“

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, ihre Partei trete schon seit langem für eine MAD-Auflösung ein. „Nach einer bislang unvorstellbaren Pannenserie der Dienste ist eine grundlegende Reform der deutschen Sicherheitsarchitektur dringender denn je“, mahnte sie. „Doppelarbeiten, Reibungsverluste und Informationspannen können nur durch energisches Anpacken abgestellt werden.“

Trittin fordert Auflösung der beteiligten Behörden

Nach einer turbulenten Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am Dienstag im Bundestag hatten Obleute aller Fraktionen dem MAD vorgeworfen, eine Akte über ein Gespräch mit Mundlos aus den 90er Jahren ein halbes Jahr lang verschwiegen zu haben.

De Maizière ließ ausrichten, es sei bedauerlich, dass sein Haus dem Untersuchungsausschuss nicht gezielt einen Hinweis auf die Akte gegeben habe. Er teile die Auffassung des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD), dass dies „unsensibel“ gewesen sei. Grundsätzlich stellte sich der Verteidigungsminister aber hinter den ihm untergeordneten MAD. Laut Gesetz befasse sich der Dienst nur mit aktiven Angehörigen der Bundeswehr. Mundlos habe im März 1995 seinen Grundwehrdienst beendet. Wann die Löschung der Akten erfolgt sei, lasse sich heute nicht mehr rekonstruieren. Es sei aber weit vor dem Aufdecken der NSU-Verbrechen gewesen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium.

Trittin sagte im Deutschlandfunk: „Nach meiner Auffassung kann es hier nur einen Weg geben, nämlich die Behörden aufzulösen und einen kompletten personellen Neuanfang zu starten.“ Das bisherige Vorgehen der Dienste belege, das diese „in dieser Form nicht zu reformieren sind“.

Edathy kündigte im rbb-Inforadio an, den MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier bei der nächsten Sitzung erneut zu laden. „Ich halte es für unglaublich, für unsensibel, wenn nicht bösartig, dass uns über ein halbes Jahr lang verschwiegen worden ist, dass es einen Kontakt zwischen einem Terrorverdächtigen und dem MAD gab. Das halte ich für einen ziemlichen Skandal.“

Nach Ansicht der Linken haben die deutschen Geheimdienste durch die Pannen bei Aufklärung der Neonazi-Mordserie ihre Legitimation verloren. „Inlandsgeheimdienste sind unkontrollierbare Fremdkörper in einer lebendigen Demokratie“, sagte die Linke-Politikerin Petra Pau.