Als Ballettdirektor ist Marco Goeckes Zeit in Hannover zu Ende. Seine Werke sollen dort aber weiter getanzt werden. Wie nimmt man bei Gauthier Dance diese Lösung auf?

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Die Staatsoper in Hannover hat sich nach der Hundekot-Attacke auf eine Kritikerin von Ballettdirektor Marco Goecke getrennt, aber nur vom Ballettdirektor. Die Werke des Choreografen sollen weiterhin auf dem Spielplan des Staatsballetts Hannover stehen und auf der Bühne im Opernhaus getanzt werden. „Wir glauben nicht, dass das Werk eines Künstlers aufgrund einer einzelnen unüberlegten Tat – so widerlich sie auch sein mag – komplett verdammt werden sollte“, sagte Hannovers Intendantin Laura Berman am Donnerstag.

 

Auch im Stuttgarter Theaterhaus, wo Marco Goecke seit 2019 Artist in Residence ist, nimmt man eine klare Trennung vor: Dort Goeckes Tat in Hannover, hier seine Arbeit als Künstler für Gauthier Dance, das eine stehe mit dem anderen nicht in Zusammenhang, betont Eric Gauthier und will sich erst nach einem persönlichen Gespräch mit Marco Goecke weiter in der Sache äußern.

Da Goeckes Ballette für Gauthier Dance häufig Teil von in sich runden Themenabenden wie „Swan Lakes“ oder „Seven Sins“ sind, müsste eine Lösung, wie sie nun in Hannover gefunden wurde, für Gauthier Dance das Mindestmaß sein. Eric Gauthier hatte Marco Goecke, als ihm das Stuttgarter Ballett 2018 den Vertrag nicht verlängert hatte, die Hand gereicht und ihn von 2019 an zum Artist in Residence der Theaterhaus-Kompanie gemacht, ein Akt der Solidarität und Zeichen der Freundschaft an den Künstler, dem Gauthier Dance wichtige Produktionen wie „Nijinski“ verdankt. Soll diese Hand in einem für den Menschen Marco Goecke schwierigen Moment zurückgezogen werden? Eric Gauthiers Besonnenheit ist in der maximalen medialen Erregung angesagt.

Interviews, die überraschten

„Um den Menschen Marco Goecke sind wir alle, aber vor allem ich als direkte Vorgesetzte und Freundin, besorgt“, sagte auch Goeckes Ex-Chefin Laura Berman in Hannover. Die Inhalte der Interviews, die Goecke nach seiner Attacke gegeben habe, hätte sie überrascht, sie zeigten nur die eine Seite Goeckes. „Gestern habe ich im persönlichen Gespräch einen Marco Goecke erlebt, der am Boden zerstört ist. Wir sind jetzt im Austausch mit ihm und hoffen, dass wir ihm trotz dieses Bruchs über diese Zeit hinweghelfen können.“

Warten auf ein Gespräch

Dass Gauthier jetzt ein Gespräch mit Goecke vor weiteren Entscheidungen abwarten will, steht für die Entspannung, an der es bei der Hundekotattacke von Beginn an mangelte – und die sie verhindert hätte. Auch hier darf sich Gauthier von den Äußerungen Laura Bermans gestärkt fühlen. Diese unterstrich die große Bedeutung eines persönlichen Gesprächs: „Ich finde es wichtig und richtig, dass wir uns diese Zeit genommen haben.“