Die Polizei zeigt am Freitag in Stuttgart mit großem Aufgebot Präsenz. Die Lage am Eckensee bleibt nach den Krawallen am vergangenen Wochenende ruhig.

Stuttgart - Stimmen und Musik schallen über den nächtlichen Eckensee im Schlossgarten. Vereinzelt lauteres Gejohle. Es ist voll geworden am Partytreffpunkt. Mitternacht ist vorüber. Alkohol fließt reichlich. Die Polizei ist zu diesem Zeitpunkt kaum noch wahrnehmbar. Sie hat sich zurückgezogen. Mehrere Fahrzeuge stehen am Karlsplatz bereit. Berittene Polizistinnen stehen nahe der Commerzbank am Schlossplatz auf ihrem Posten, um im Falle einer Eskalation eingreifen zu können. „Wir zeigen Präsenz, setzen aber auf Kommunikation“, umreißt Polizeisprecher Jens Lauer die taktische Ausrichtung für die Nacht von Freitag auf Samstag. So habe man Kommunikationsbeamte im Einsatz, die das Gespräch mit den jungen Leuten im Park suche. Lauer konstatiert, auch Problemklientel sei einmal mehr zu verzeichnen. Inzwischen liegen der Polizei 7000 Dateien mit Aufnahmen aus der Krawallnacht vor. Die Suche nach weiteren Tätern läuft.

 

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Schon um 20 Uhr tummeln sich etliche Grüppchen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen Operntreppe und Kunstgebäude. Die meisten haben Musik und Getränke dabei, darunter viel Hochprozentiges. Ein paar Mädchen tanzen ausgelassen. Wenige Meter weiter wird maskuline Coolness zur Schau gestellt. Am Rande eines Beetes hat sich ein Pärchen niedergelassen und betrachtet das Treiben. Die beiden sind sich einig: Die Randale der Vorwoche seien ein Exzess gewesen, der sich so nicht wiederholen werde. Unsicherer als sonst fühlen sie sich nicht. Auszublenden, was sich in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni ereignet hat, ist unmöglich. Spätestens als die ersten Gruppen von Polizisten beginnen, in voller Montur den See zu umrunden ist klar: Das Potenzial für eine Eskalation ist vorhanden.

Verstärkte Polizeipräsenz in der Nacht zu Samstag

Berivan ist mit einer Freundin auf der Königstraße unterwegs. Die verstärkte Polizeipräsenz sieht sie mit gemischten Gefühlen. „Ich kann schon nachvollziehen, dass viele Jugendliche wütend sind, weil sie im Alltag immer wieder erfahren müssen, dass sie kontrolliert werden, nur weil sie anders aussehen“, ordnet die 21-Jährige die Ausschreitungen für sich ein. Das sei kein neues Problem. Über lange Zeit aufgestaute Wut habe sich bei den Ausschreitungen Bahn gebrochen. „Das bedeutet nicht, dass ich die Plünderungen gutheiße“, betont die Kurdin. Dass die Polizei ein Täterprofil im Kopf habe, das rassistisch geprägt sei, und auch danach handle, entspreche ihren eigenen Erfahrungen.

Am Eckensee wird gegen 21.30 Uhr umfassend kontrolliert. Mehrere hundert Menschen haben sich versammelt. Die Polizei ist massiv präsent, kontrolliert Ausweise und durchsucht systematisch all jene, die auf der Mauer an den Rosenbeeten vor dem Neuen Schloss sitzen. „Ich habe damit gerechnet, dass so etwas kommt“, stellt eine 17-Jährige gelassen fest. „Wir sind aber trotzdem gekommen, weil man hier einfach gut feiern kann. Gefühlt kennt man jeden.“ Die Randalierer seien nicht Teil dieser Gemeinschaft gewesen, ist sie sich sicher. Von Aggression ist gemessen an der umfassenden Aufnahme von Personalien wenig zu spüren. Es gibt ein paar Frotzeleien, aber auch ruhige Gespräche zwischen Beamten und Feiernden. Für Unmut sorgt vor allem eine Frau, die das Geschehen freudig mit dem Smartphone filmt. „Kamera weg!“ fordert ein junger Mann, den sie aufs Korn nimmt. Ein Gruppe Mädchen, die vom Schlossplatz her in die Anlagen kommt, entscheidet sich spontan für einen anderen Ort, um den Abend zu genießen.

Läden bleiben dieses Mal unversehrt

Entlang der Königstraße finden nach Einbruch der Dunkelheit verstärkt Personenkontrollen statt. Auf den Treppen vor dem Haus der Katholischen Kirche stehen junge Männer umringt von Beamten. Am Pusteblumenbrunnen und am Hauptbahnhof bietet sich ein ähnliches Bild. „Ich finde es gut, dass man endlich konsequenter vorgeht“, so ein Passant. Es gibt auch Gegenstimmen: „Die Polizei hätte bei den Ausschreitungen noch in der Eskalation deeskalieren können“, gibt ein Herr im sportiven Trikot zu verstehen. Sie hätte sich nur zurückziehen und darauf konzentrieren müssen, die Läden zu schützen. Die bleiben in dieser Freitagnacht unversehrt. Nicht nur dort, wo man vorsorglich die Rolltore heruntergelassen hat.