Die Versammlungsbehörde hat im vergangenen Jahr das Gespräch mit der Letzten Generation gesucht und wollte der Gruppe legale Formate vorschlagen. Dort hatte man jedoch offenbar kein Interesse an einem Austausch.
Mitte Februar sind am Amtsgericht Bad Cannstatt sieben Klimaaktivisten der Letzten Generation zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sie Ende Januar und Anfang Februar des vergangenes Jahres die Bundesstraße 10 auf Höhe der Stuttgarter Wilhelma blockierten. Wegen Nötigung von Verkehrsteilnehmern wurden sie zu Zahlungen von 400 bis 6300 Euro verdonnert. Dabei bleibt es in Stuttgart wohl vorerst. „Weitere Verfahren gegen Klimaaktivisten sind mir nicht bekannt“, sagt Mechthild Weinland, Direktorin des Amtsgerichts Bad Cannstatt.
Wiederholungstätern drohen Freiheitsstrafen
Und dennoch hat die Verurteilung Konsequenzen, schließlich müssen einige der Angeklagten sich nicht nur für Blockaden in Stuttgart verantworten. Entsprechende Prozesse finden derzeit in vielen deutschen Städten statt. „Vorstrafen werden bei der Bemessung der Strafe berücksichtigt. Bei wiederholter Straffälligkeit kann auch bei geringfügigen Delikten eine Freiheitsstrafe verhängt werden“, so Weinland.
Stadt sucht nach passendem Format
Grundsätzlich könnten sich die Aktivisten Geldstrafen und den Groll wütender Autofahrer ersparen, wenn sie im Vorfeld mit der jeweiligen Stadtverwaltung zusammenarbeiten würden. „Sie haben ihre Aktionen bislang nie bei uns angemeldet“, sagt Stefan Praegert, der Leiter der Versammlungs- und Polizeibehörde beim Amt für öffentliche Ordnung. „Nach der Blockade im Februar 2022 haben wir die Klimaaktivisten angeschrieben. Wir wollten das Gespräch mit ihnen suchen, haben ihnen signalisiert, dass wir kooperationsbereit sind, um ein passendes Format zu finden.“
Reine Verhinderungsblockaden, beispielsweise vor der Einfahrt einer Stuttgart-21-Baustelle, würden grundsätzlich nicht genehmigt. Sich am Boden festzukleben, sei ebenfalls nicht zulässig. Anders sieht es aber bei Demonstrationen auf Hauptverkehrsachsen aus. Wenn ein Bezug zur Straße hergestellt werden kann und die Meinungsäußerung im Vordergrund steht, seien viele Optionen denkbar. Ein Beispiel sind die Feinstaubdemos, die unter anderem im abendlichen Berufsverkehr am Neckartor stattfanden. „Dass Staus verursacht werden, schließt eine Versammlung nicht aus“, sagt Praegert. Das zeige sich auch regelmäßig bei der Radgruppe Critical Mass. Wenn sie durch Stuttgart fährt, steht der Verkehr – begünstigt durch Stuttgarts Kessellage – an einigen Stellen zeitweise still.
Maximaler Schaden als Ziel
Die Klimaaktivisten haben das Angebot der Stadt Stuttgart bisher ausgeschlagen. Ihre Begründung: Die Aktionen würden davon leben, dass die Behörden nicht Bescheid wissen. Man habe sich bewusst für die Form der unangemeldeten Blockaden entschieden, zitiert Praegert aus dem Antwortschreiben. „Ziel sei es, maximalen Schaden zu verursachen und den Verkehr völlig zum Erliegen zu bringen. Dafür würden auch strafrechtliche Konsequenzen in Kauf genommen werden“, so Praegert, der viele Vorteile in einer angemeldeten Aktion sieht.
„Wenn wir wissen, welcher Straßenzug blockiert wird, können wir Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei auf freie Straßen umleiten.“ Außerdem könne man Verkehrsteilnehmer auf mögliche Verkehrsbehinderungen hinweisen und empfehlen, auf Bus und Bahn umzusteigen. Ein weiteres Argument für eine genehmigte Veranstaltung sei die Akzeptanz in der Bevölkerung, so der Leiter der Versammlungs- und Polizeibehörde. Er könne sich vorstellen, dass sich einer angemeldeten Demo viele Teilnehmer anschließen könnten. „Grundsätzlich haben Klimaschützer viele Sympathisanten, aber es ist nicht das richtige Mittel“, sagt Praegert, der noch immer gesprächsbereit sei. „Wir sind nicht voreingenommen bei Anfragen.“
Klimaaktivisten hoffen auf „kippende Städte“
Eine Sprecherin der Letzten Generation hat auf eine entsprechende Anfrage unserer Zeitung nicht reagiert. Auf der Internseite macht die Gruppierung aber deutlich, dass sie einen anderen Weg geht. Sie stellt Städten in Aussicht, Proteste zu pausieren und entsprechend in andere Städte weiterzuziehen, sollten Bürgermeister oder auch Stadträte ihre Forderungen unterstützen. Ziel ist es, durch einen möglichen Dominoeffekt „kippender Städte“ den Druck von der politischen Basis aus auf die Bundesregierung zu erhöhen. Hannover ist die erste deutsche Stadt, die solch einen „Aktionsstopp“ erzielt hat. Belit Onay (Grüne), Oberbürgermeister der niedersächsischen Landeshauptstadt, hat sich mit Aktivisten zu Gesprächen getroffen und ihnen seine Unterstützung signalisiert.