Corona-Folgen "Das Winterhalbjahr wird hart": Steiniger Weg aus der Krise

Die deutsche Wirtschaft meldet sich im Sommer stärker zurück als angenommen. Damit ist die Corona-Krise aber noch nicht überwunden. Die nächsten Monate werden Europas größte Volkswirtschaft wohl erneut auf die Probe stellen.
Wiesbaden - Der deutschen Wirtschaft drohen nach einem unerwartet kräftigen Comeback im Sommer wieder härtere Zeiten. Im dritten Quartal erholte sich die Konjunktur nach dem Absturz auf dem Höhepunkt der Corona-Krise stärker als angenommen.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im Zeitraum Juli bis September im Vergleich zum zweiten Quartal um 8,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Zunächst war die Behörde von einem Plus von 8,2 Prozent ausgegangen. Zum Jahresende drohen jedoch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens wegen steigender Infektionszahlen, die Erholung zu unterbrechen.
"Das Winterhalbjahr wird hart", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Erst die wärmeren Temperaturen im Frühling und die Impfungen werden die Wirtschaft vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2021 deutlich anziehen lassen."
Die Stimmung der Unternehmen hat sich bereits eingetrübt. Das Ifo-Geschäftsklima sank im November den zweiten Monat in Folge. "Die zweite Corona-Welle hat die Erholung der deutschen Wirtschaft unterbrochen", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Vor allem im Dienstleistungsbereich, der besonders von den neuen Beschränkungen betroffen ist, verschlechterte sich die Stimmung deutlich.
Auch die Industrie zeigte sich skeptisch. "Sowohl die Folgen der ersten Krisenmonate als auch die aktuell hohen Infektionszahlen stellen die wirtschaftliche Erholung auf die Probe", sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Erwartet wird ein Produktionseinbruch im Gesamtjahr von 10 Prozent.
Mit dem starken Wachstum im dritten Quartal hat die deutsche Wirtschaft nach Angaben des Statistischen Bundesamtes immerhin einen großen Teil des massiven BIP-Rückgangs vom Frühjahr wieder aufgeholt. Im zweiten Vierteljahr war die Wirtschaftsleistung infolge des coronabedingten harten Lockdowns massiv um 9,8 Prozent eingebrochen.
Im Jahresvergleich hinterließ die Corona-Krise allerdings deutliche Spuren. Im Vergleich zum dritten Quartal 2019 schrumpfte das BIP in Europas größter Volkswirtschaft preisbereinigt um 3,9 Prozent.
Angeschoben wurde das Wachstum zum Vorquartal den Angaben zufolge insbesondere von höheren privaten Konsumausgaben (plus 10,8 Prozent) und stark gestiegenen Exporten von Waren und Dienstleistungen (plus 18,1 Prozent). Zudem investierten Unternehmen mehr in Maschinen und andere in Ausrüstungen. Die Bauinvestitionen gingen dagegen um 2,0 Prozent zurück.
"Alles in allem zeigen die Zahlen, dass eine rasche und vor allem breite Erholung möglich ist, sobald die Restriktionen gelockert werden", betonten Experten der Kapitalanlagetochter der Deutschen Bank, DWS. Das dürfte allerdings noch eine Weile dauern.
Durch die sich abzeichnende Verlängerung des Teil-Lockdowns in Deutschland über November hinaus steigt aus Sicht von Ökonomen die Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs des BIP im vierten Quartal. Dieser dürfte aber im Vergleich zum Einbruch von März und April "sehr milde ausfallen", sagte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank.
Ökonomen der staatlichen Förderbank KfW rechnen für das laufende Vierteljahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von rund 1 Prozent. Das wäre weit weniger als im Frühjahr. Die aktuellen Einschränkungen betreffen einen kleineren Teil der Wirtschaft. Zudem schränkten die Maßnahmen von Handelspartnern zur Bekämpfung der zweiten Pandemiewelle die Wirtschaftsaktivität geringer ein als im Frühjahr, sagte Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Das stütze den Export.
Der Weg aus der Krise wird nach Einschätzung von Ökonom Jörg Zeuner allerdings steinig. "Das Schlussquartal des Corona-Jahres 2020 und das erste Quartal 2021 werden deutlich von den Eindämmungsmaßnahmen belastet sein", sagte der Chefvolkswirt der Union Investment Gruppe. Volkswirte der DZ Bank gehen von einer leichten Rezession im Winterhalbjahr aus.
Im Gesamtjahr 2020 wird die deutsche Wirtschaft allen Prognosen zufolge schrumpfen. Die "Wirtschaftsweisen" rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 5,1 Prozent. Der Sachverständigenrat ist damit etwas optimistischer als Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einem Einbruch um 5,5 Prozent aus. Dieser wäre mit der historischen Rezession 2009 infolge der globalen Finanzkrise vergleichbar mit damals minus 5,7 Prozent. Im kommenden Jahr soll die deutsche Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen.
© dpa-infocom, dpa:201124-99-441100/5
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