Mehr als 1000 Beamte sind am Samstag bei der Coronademo im Einsatz. Sie gehen unzufrieden nach Hause. Ein Polizist berichtet, was ihn am Einsatz und der Diskussion darüber gestört hat.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Als Polizeigewerkschafter und Führungskraft ist Phillipp Maurer (Name geändert) viel am Wohl seiner Kolleginnen und Kollegen gelegen. Nach großen Einsätzen unterhalten sich die Beamten viel, „auf der Fahrt im Auto oder in Einzelgesprächen“, erzählt das Mitglieder der Gewerkschaft der Polizei (GdP). So ist es auch am Samstag gewesen, als er mit seinen Leuten nach dem langen Einsatz in Stuttgart bei der Demo der „Querdenker“ zurückkehrte. Seine Bilanz, wie es den Polizistinnen und Polizisten damit gehe, fällt kurz und deutlich aus: „Nicht gut. Wir müssen ausbaden, was politisch falsch entschieden wird.“

 

Keiner hört auf Durchsagen

Seine Kolleginnen und Kollegen fühlten sich als würden „alle nur auf sie einprügeln“. Dabei seien sie keinesfalls zufrieden nach dem Einsatz heimgefahren: „Es ist sehr enttäuschend, wenn man nichts machen kann.“ Die Möglichkeiten, auf so eine große Menschenmenge mit 15 000 Demonstranten einzuwirken, seien begrenzt. „Die Polizei hat von einem Lautsprecherwagen aus mehrmals Durchsagen gemacht, dass die Auflagen einzuhalten sind“, erläutert Maurer. Das waren unter anderem die Maskenpflicht und der Mindestabstand zwischen den Teilnehmenden. Die Resonanz war frustrierend. „Die Kollegen können ja nicht aussteigen und zu jedem einzelnen sagen, er soll jetzt die Maske aufsetzen.“ Wenn er sich an die Menge erinnert, die nicht auf die Polizei hörte, kommen ihm zwei Gedanken. Zum einen sei ein Teil der Demonstrierenden gewesen „wie kleine Kinder, die sich diebisch freuen, weil sie ein Verbot nicht beachten“, schildert er. Zum anderen habe er den Eindruck gehabt, dass manche gern die Maske aufgesetzt und sich geschützt hätten, sich aber nicht trauten. „Da war ein großer Gruppenzwang in der Menge“, meint Maurer. Vor allem seine jüngeren Kolleginnen und Kollegen hätten sich der Menge gegenüber machtlos gefühlt. „Die kommen frisch von der Ausbildung und denken: „Wir haben doch gelernt, dass wir einschreiten müssen, wenn die die Anweisung nicht befolgen“, aber so einfach ist das nicht: Man muss eben auch die Folgen abschätzen“, sagt der Gewerkschafter. In der großen Menge erschien es der Polizei schlicht nicht machbar, gegen die massenhaften Maskenverstöße vorzugehen. Nur 254 Personen wurden angezeigt.

Polizisten hätten sich ein Verbot gewünscht

Für Philipp Maurer ist das Verhalten auf der „Querdenker“-Demo keine Überraschung gewesen. „Das kennen wir doch jetzt seit einem Jahr, diese Spielchen mit den Auflagen.“ Daher hat er eine klare Meinung zu derlei Versammlungen, die man im Stuttgarter Rathaus leider nicht geteilt habe: „Man hätte das verbieten müssen, wenn es nach mir ginge.“ Der Polizist widerspricht der aktuell auch in der Landespolitik kursierenden Theorie, die Polizei sei gegen ein Verbot gewesen, weil dann trotzdem kleine Gruppen in der Stadt gewesen wären, die schwer kontrollierbar geworden wären: „Das hätten wir schon in den Griff bekommen, wenn es so gekommen wäre.“ Und wenn man die Demo schon laufen lasse, dann hätte man auf die unzähligen Verstöße mit Sanktionen reagieren müssen. „Warum muss da ein Party-LKW mit Lautsprecher mitfahren? Der gehört abgestellt, das hatte ja was von Faschingsumzug. Oder man hätte auf dem Wasen sagen können, man lässt die Veranstaltung mit den Reden nicht beginnen, wenn die Auflagen nicht befolgt werden. Dann wären die da eine Stunde lang gestanden und es wäre ihnen langweilig geworden.“

„Ich war schockiert“

Maurer war schon bei vielen Einsätzen rund um das Thema Coronaprotest. In Stuttgart zuletzt am 13. März, dem Tag vor der Landtagswahl, als eine von der Versammlungsleitung aufgelöste Demo in kleinen Gruppen kreuz und quer durch die Stadt zog. „Da war die Stimmung viel aggressiver als am Samstag. Dieses mal war es viel gelöster“, schildert er. Doch auch am Samstag gab es etwas, was er nicht gut fand: „Da waren viele Familien mit Kindern dabei, das hat mich schockiert.“

Wenn er die Menge am Samstag vergleichsweise harmlos nennt, soll das nicht heißen soll, dass er die Veranstaltung gutheißt. „Aber ich hab eben auch schon anderes zu dem Thema erlebt. Ich war in Berlin dabei, stand auf den Treppen des Reichstags, als der Aufruf zum Sturm auf den Reichstag von der Bühne kam. Das war schlimm, das war total aufgeheizt und aggressiv“, erinnert er sich. Die Auflösung einer Demo in Berlin sieht er kritisch, die nun von vielen als positives Beispiel herangezogen wird: Kritiker der Demo und der Strategie von Stadt und Polizei wünschen sich, die Demo in Stuttgart wäre auch aufgelöst worden. „Das ist nicht so einfach. Wenn man auflöst, sind die 15 000 Leute ja nicht weg. Auch die Forderung, Wasserwerfer einzusetzen, hat Fehler: Wenn man an einem Ende mit den Wasserwerfern reingeht, dann kommt Bewegung in die Menge, es besteht die Gefahr einer Massenpanik. Wenn dann die Menschen losrennen, kann es gefährlich werden. Weniger durch den Wasserwerfer, sondern wenn die Teilnehmer sich umrennen.“ Über den viel zitierten Einsatz in Berlin sagt er: „Das war nicht gut.“

Was nun folgen muss? Da fällt dem erfahrenen Beamten nicht zuerst der nun tobende politische Streit in der Stadt ein. Sondern die Konsequenzen für die Veranstalter. „Die wurden angezeigt. Da muss jetzt eine Strafe her, die richtig wehtut“, sagt er.