Nur noch wenige Touristen machen nach dem Absturz der russischen Maschine Urlaub an den Strandresorts. Unser Autor Jürgen Löhle war dort.

Ägypten - Ein nagelneuer Kreisverkehr nördlich von Marsa Alam mitten in der Wüste. Geradeaus geht es nach Luxor, rechts zum Roten Meer nach El Quseir. „Hier führt der kürzeste Weg von der Küste nach Luxor“, erklärt Busfahrer Magdy, „nur zwei Stunden, aber es dürfen nur Konvois mit Funk fahren.“ Kurz nach dem Kreisverkehr hat das ägyptische Militär seinen normalen Check Point verstärkt. Soldaten hinter Sandsäcken, Schlagbäume, ein Panzer neben der Straße. Der mutmaßliche Bombenanschlag gegen einen russischen Urlauberjet von Scharm el Scheich hat die Furcht wieder zurückgebracht ans Rote Meer. Auch Magdy in seinem Kleinbus spürt das. Nur fünf Gäste hat er an Bord. Platz wäre für Zwölf und es ist Hochsaison.

 

Zwei Stunden vorher: Landeanflug auf den International Airport Marsa Alam. Neben dem Rollfeld parken wie verloren zwei deutsche Jets. Außer unserer Maschine werden an diesem Tag Ende November nur noch zwei weitere Flüge erwartet. München und Amsterdam – das war es dann. Auf einem riesigen Plakat wirbt der Flughafen mit 100 Direktflügen pro Woche in die ganze Welt. Der Slogan wirkt wie aus einer anderen Zeit.

In der fast leeren Halle strahlt unter Glas ein großes Modell der 2009 eröffneten Ferienstadt Port Ghalib, ein touristische Prestigeobjekt des 2011 gestorbenen kuwaitischen Milliardärs Nasser al-Kharafi, ein gewaltiges Areal mit Golfplatz, Poloanlage, Luxushotels, einem Yachthafen und Tauchbasen. Aber auch noch eine große Baustelle mit offenem Ende. Nach dem Arabischen Frühling 2011 mit den Unruhen und vielen Toten im Norden, blieben viele Urlauber weg. Und in diesen Tagen wird das gerade wieder langsam erblühte touristischen Pflänzchen vom Anschlag auf die russische Maschine bedroht.

„Willst Du dich in die Luft sprengen lassen?“

Wir rollen weiter. Alle paar Kilometer markieren Alleen aus Palmen den Weg zu einem Resort am Meer, oft rauscht der Bus aber auch an verlassenen Baustellen vorbei – manche davon verfallen bereits. Als 2011 die Touristen weg blieben, verloren auch etliche Investoren die Lust. Sie dürften nach dem Absturz russischen Maschine aus Scharm El Scheich so schnell auch keine mehr bekommen. Die Wüste flimmert in der Sonne, und im Magen stellt sich dann doch ein leichter Druck ein. „Ägypten? Willst du dich in die Luft sprengen lassen?“ Sprüche wie diesen gab es zu Hause genug, dabei war das Rote Meer gerade wieder im Kommen. Zwischen Januar und Ende September besuchten knapp 740 000 Deutsche das Land, ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, aber immer noch gut 400 000 weniger als vor 2011.

Dabei sind seit dem Arabischen Frühling an der Küste zwischen Hurghada und Marsa Alam keine Anschläge auf Touristen dokumentiert. Gefährlich für die Gesundheit ist höchstens die oft ruppige Fahrweise der Taxifahrer. Der Terror der ägyptischen Extremistengruppen, die 2014 im Norden des Sinai der islamistischen Terrormiliz IS Treue geschworen haben, ist weit weg. Aber Furcht ist eben nicht rational, da ändert auch der Hinweis des Auswärtigen Amtes nicht viel, dass die Urlaubsgebiete südlich von Hurghada relativ sicher seien.

„Ich habe mich auch schon einmal ausfliegen lassen. Aber nicht weil ich Angst hatte, sondern weil ich der Letzte im Hotel gewesen bin“, sagt Marc Hügi. Der Schweizer lebt seit zehn Jahren am Roten Meer und leitet eine Tauchbasis nördlich von El Quseir. Die Basis, angegliedert an ein Luxushotel, liegt an einem der in der Tauchszene beliebtesten Hausriffe des Roten Meers. Ein paar Schritte über einen Steg und schon ist man drin in der Welt der bunten Fische und Korallen. Aber auch hier steht die Hälfte der Zimmer leer. Für die wenigen Gäste ist das kein Nachteil, am Strand ist Ruhe. Und wenn dann das Seeadler-Pärchen über der Bucht seine Kreise zieht, löst sich diese unbestimmte Skepsis einfach auf. Eine kuriose Situation – die Furcht vieler vor dem Land eröffnet denen, die trotzdem kommen, ein einmalig ruhiges Erlebnis.

Das Risiko, wenn es denn eines geben sollte, ist zumindest nicht sicht- oder fühlbar. „Mir ist in zehn Jahren hier nie etwas passiert“, sagt Hügi. Das sieht man auch offiziell so. Radtrips in die Wüste, Besuche auf dem belebten Markt in El Quseir, Jeep-Safaris weg vom gesicherten Hotelareal – alles im Programm. Nur der Kontrast bleibt, wenn man zurückkommt und der Wachmann vor dem schwer gesicherten Tor mit dem Spiegel unter das Auto schaut. Und eines scheint sicher: Ein weiterer Anschlag wie der von Scharm el Scheich würde die Region für Jahre leer fegen.