Traumpalast-Chef Heinz Lochmann glaubt an die Zukunft des Kinos – sofern man mit neuen Ideen mehr schafft als eine Filmabspielstätte. Das Metropol will er übernehmen. Erstmals bestätigt die Union Investment, dass sie „die kulturelle Nutzung sondiert“.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Bouldern ist das Klettern ohne Gurt und ohne Seil bis zur Absprunghöhe am Felsbrocken (englisch: Boulder) oder an künstlichen Bergwänden. Ohne Netz und doppelten Boden ist die Element Boulders GmbH im Januar 2021 ins Rennen gegangen, um aus dem denkmalgeschützten Metropol-Gebäude an der Bolzstraße in der City, in einem der bis dato schönsten Kinosäle der Stadt, eine Boulderhalle zu machen. Jetzt ist die junge Sportfirma aus dem Osten der Republik an diesem Ort abgestürzt. Mit ihr hat sich die Union Investment als Gebäudeeigentümerin schwere Blessuren zugezogen.

 

Ganz überraschend kam das Aus der obersten Denkmalschützer fürs Klettern in diesem historisch bedeutsamen Gebäude nicht, in dem sich an der Fassade Teile des alten Bahnhofs befinden. Aber auch die Innenräume gelten als schützenswert, weil dort ein Varieté nach dem Krieg Zehntausende angelockt hat. Eine Boulderhalle würde diese Tradition völlig brechen. „Dass bei einem größeren Eingriff in ein denkmalgeschütztes Gebäude die Denkmalschutzbehörde ein Veto einlegt, ist nichts Unerwartetes“, erklärt Kirsten Rickes, die Leiterin des Baurechtsamts.

Die Boulder-Leute können innerhalb von vier Monaten Einspruch einlegen

Von den Recherchen unserer Zeitung war die Union Investment so sehr überrascht, dass die AG zunächst nichts zum Ende der Boulderpläne sagen wollte. „Da uns kein offizielles Schriftstück der Stadt vorliegt, wird es nicht zu einer öffentlichen Kommentierung kommen“, erklärt Fabian Hellbusch, der Sprecher der Investmentgesellschaft mit Hauptsitz in Frankfurt. Der ablehnende Bescheid des Baurechtsamts wird in Kürze an die Antragsteller verschickt, teilt Susanne Kaufmann, die Sprecherin von OB Frank Nopper (CDU), mit. Bereits am Dienstag hatte sie unsere Informationen in Sachen Kletterverbot im Metropol bestätigt. Zum weiteren Vorgehen erklärt Kaufmann: „Innerhalb eines Monats ab Eingang des Schreibens kann Widerspruch eingelegt werden, der vom Regierungspräsidium geprüft wird.“

Union-Investment-Sprecher Hellbusch glaubt nicht, dass die unterlegenen Mieter gegen den negativen Entscheid vorgehen. Nun werde man die „kulturelle Nachnutzung sondieren“, sagt er und versichert: „Bevor der Mietvertrag mit Boulders unterzeichnet wurde, hatten wir selbstverständlich einen Termin mit dem Denkmalschutzamt und sind nicht im Blindflug unterwegs gewesen.“

In den sozialen Medien ist der Jubel über das Boulder-Aus groß

Bei kulturinteressierten Menschen in der Stadt ist die Nachricht vom Aus für die Boulderhalle im Metropol freudig aufgenommen worden. In den sozialen Medien ist der Jubel groß. Eifrig wird diskutiert, was an der Bolzstraße Neues entstehen könnte. Joe Bauer von der Initiative Rettet das Metropol plädiert dafür, „die Achsenverbindungen zum Staatstheater und zum Kunstmuseum in der Nachbarschaft zu nutzen“. Man könne sich neue Formen von hybriden Veranstaltungen ausdenken, interdisziplinäre Begegnungen verschiedener Kulturen schaffen und damit eine finanziell tragfähige Lösung schaffen.

Karin Fritz, die Chefin der Innenstadtkinos, die aus dem Metropol Ende 2020 ausgezogen ist, macht kein Hehl daraus, dass ihr eine Boulderhalle in der Nähe ihrer Filmtheater lieber gewesen wäre als neue Konkurrenz. „Letztendlich gibt es nicht viele andere Möglichkeiten als ein Kino im Metropol“, sagt sie. Fritz hofft auf einen Kinoboom, der nach den Entbehrungen der Pandemie folgen könnte. Das Kinomobiliar habe sie aus dem Metropol ausbauen müssen, weil es eine Rückbau-Verpflichtung mit den Eigentümern gegeben habe. „Gar nicht gut“, sagt sie, sei es, wenn die neuen Kinobetreiber am alten Bahnhof im Gegensatz zu ihr Fördergelder von Stadt oder Land bekämen.

„Die Leute wollen wieder raus, Netflix verliert“

Heinz Lochmann, der Chef der Traumpalast-Kette, glaubt fest an die Zukunft der Kinos. „Die Leute wollen wieder raus“, sagt er, „Netflix verliert an Reichweite.“ Die meisten würden Ausgehen und Spaß gemeinsam dem Alleinschauen daheim auf dem Sofa vorziehen. In der kommenden Woche wird Lochmann mit Vertretern der Union Investment verhandeln. Zur Vertragsunterzeichnung ist er bereit. Zuvor will der Bewerber aus Rudersberg aber nicht sein Konzept öffentlich machen, das mehr vorsieht als eine Abspielstätte von Filmen. „Das bringt kein Glück, wenn man das Fell des Bären zu früh verteilt“, sagt er. OB Frank Nopper, der das Metropol kurz nach Amtsbeginn zur „Chefsache“ erklärt hatte, habe ihn angerufen und ihn ermutigt, sich zu bewerben.

Hinter den Kulissen, heißt es im Rathaus, hat der OB mehr für eine kulturelle Lösung fürs Metropol unternommen, als von außen wahrgenommen worden sei. Am Mittwoch erklärt Nopper unserer Zeitung: „Die städtische Wirtschaftsförderung wird die Element Boulders GmbH gern dabei unterstützen, in möglichst zentraler Lage eine andere Immobilie für eine Boulderhalle zu finden.“