Die Bundesregierung erwartet trotz anhaltender Belastungen in der Corona-Krise bald einen dauerhaften Aufschwung in Deutschland. Auch EU-Milliarden sollen den Konjunkturaufschwung stützen.

Berlin - Fünf Monate vor der Bundestagswahl übt sich die scheidende schwarz-rote Regierung in Konjunkturoptimismus – den pandemiebedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens zum Trotz. „Wir haben spätestens 2022 wieder die alte Stärke erreicht“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag bei der Vorlage seiner aktuellen Frühjahrsprojektion.

 

Die Regierung rechnet jetzt damit, dass die Wirtschaftsleistung hierzulande um 3,5 Prozent zulegt. Noch im Januar war Altmaier von einem Wachstum von drei Prozent ausgegangen. Im nächsten Jahr soll das Plus dann 3,6 Prozent betragen.

Während große Teile des öffentlichen Lebens aus Gründen des Infektionsschutzes noch immer stillstehen, brummt die Industrie längst wieder. Sie kann erneut im großen Stil Waren im Ausland absetzen, insbesondere in Schlüsselmärkten wie den USA und China. Altmaier und seine Fachleute unterstellen, dass im Laufe des zweiten Quartals die Corona-Einschränkungen sukzessive gelockert werden können. Die Folge dürften mehr privater Konsum sein, etwa in Gastronomie und Handel. Damit käme die Binnenwirtschaft auch wieder in Schwung. „Unsere Wirtschaft ist stark, robust und startklar für den Neustart“, sagte Altmaier.

Geldsegen aus Brüssel

Im vergangenen Jahr war die Wirtschaftsleistung hierzulande aufgrund der Coronakrise um 4,9 Prozent zurückgegangen. Die Erholung gestaltet sich angesichts des dynamischen Pandemiegeschehens schwieriger, als Regierung und Wissenschaft noch im vergangenen Herbst gehofft hatten. Der Rat der Wirtschaftsweisen, der die Regierung berät, sagte im März für das laufende Jahr ein Wachstum von 3,1 Prozent vorher und korrigierte damit eine vorherige Prognose deutlich nach unten. Altmaier selbst wiederum hatte im vergangenen Herbst für 2021 ein Wachstum von 4,4 Prozent in Aussicht gestellt, die Prognose im Januar dann auf drei Prozent gesenkt, um sie nun abermals anzuheben.

Zum Aufschwung in Deutschland und Europa sollen auch jene Hilfen beitragen, die aus dem 750 Milliarden schweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU kommen. Das Bundeskabinett billigte am Dienstag die deutschen Pläne dafür. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein französischer Kollege Bruno Le Maire stellten danach bei einem gemeinsamen Auftritt die Vorhaben beider Länder vor.

Deutschland soll aus dem Fonds knapp 26 Milliarden Euro erhalten. Frankreich, das deutlich stärker von der Pandemie betroffen ist, rechnet mit 40 Milliarden Euro. Die Mittel müssen überwiegend für Zukunftsprojekte wie Klimaschutz, die Transformation der Wirtschaft, nachhaltige Mobilität und Digitalisierung eingesetzt werden.

Scholz beschwört europäische Solidarität

„Wir können erreichen, dass Europa stärker aus der Krise herauskommt, als es jemals war“, sagte Scholz am Dienstag. Le Maire rief die EU-Kommission dazu auf, die nationalen Wiederaufbaupläne schnell zu prüfen. Nach Möglichkeit sollte das erste Geld bereits vor dem Sommer fließen. Europa habe seit der Grundsatzeinigung auf den Hilfsfonds zu viel Zeit verloren. „China wächst wieder, die USA boomen.“ Europa drohe bei wichtigen Technologien abhängig von beiden zu werden. Auch Italien bringt dieser Tage seine Planungen für die Wiederaufbauprojekte auf den Weg. Das Land erhält 190 Milliarden Euro und ist damit der größte Empfänger.

Die EU-Staaten hatten sich nach einer deutsch-französischen Initiative im vergangenen Juli grundsätzlich auf die Einrichtung des Corona-Wiederaufbaufonds verständigt. Dafür wollen sich die Mitgliedstaaten erstmals gemeinsam im großen Umfang verschulden. Zur Ankurbelung ihrer Wirtschaft sollen die Staaten Kredite und Zuschüsse erhalten. Allerdings ist das gesamte Projekt ins Stocken geraten, weil zehn Länder den Beschluss immer noch nicht ratifiziert haben.

Von den 26 Milliarden Euro, die Deutschland erhält, sollen nach Scholz’ Angaben fast 90 Prozent in Klimaschutz und Digitalisierung fließen. Die Europaexpertin der Grünen, Franziska Brantner, warf der Regierung vor, „alten Wein in neue Schläuche“ zu gießen: Zum größten Teil würden Projekte verrechnet, die ohnehin im deutschen Konjunkturpaket vorgesehen gewesen seien.