Rund neun Monate nach dem umstrittenen Einsatz gegen Stuttgart-21-Gegner hat die Landesregierung zahlreiche Nachbesserungen empfohlen.

Stuttgart - Rund neun Monate nach dem umstrittenen Einsatz gegen Stuttgart 21-Gegner hat die baden-württembergische Polizei nachjustiert: Die Beamten wollen in Zukunft noch stärker auf Konfliktvermeidung setzen, um gewaltsame Auseinandersetzungen mit Demonstranten auf ein Minimum zu reduzieren. Innenminister Reinhold Gall (SPD) sagte am Mittwoch in Stuttgart: „Unsere Polizei setzt nicht auf Konfrontation.“ Deeskalation dürfe allerdings nicht mit mangelnder Handlungsbereitschaft der Polizei verwechselt werden, sagte der Politiker bei einer Sitzung des Innenausschusses des Landtags. Das Gremium befasste sich mit einem Bericht von Galls Behörde, der sich mit dem umstrittenen Polizeieinsatz vom 30. September 2010 befasste und Empfehlungen für künftige Großeinsätze enthält.

 

Mit einem Bündel von Maßnahmen will die Polizei in Zukunft verhindern, dass sich Bilder wie am „schwarzen Donnerstag“ wiederholen. An jenem Tag waren im Stuttgarter Schlossgarten bei Protesten gegen das Milliardenprojekt Stuttgart 21 viele Menschen verletzt worden. So sollen in Zukunft noch verstärkter sogenannte Anti-Konflikt-Teams eingesetzt werden, sagte der frühere Inspekteur der Polizei und heutige Präsident des Landeskriminalamts, Dieter Schneider. „Besonders, wenn mit einer größeren emotionalisierten Anzahl von emotionalisierten Menschen zu rechnen ist.“ Dies sei aber kein Allheilmittel.

Beim Einsatz von Pfefferspray solle noch stärker auf die medizinische Versorgung von betroffenen Demonstranten geachtet werden. Der Einsatz von Wasserwerfern solle in einer entsprechenden Vorschrift bundesweit so geregelt werden, dass gleichzeitig auch immer ein entsprechendes Konzept zur Versorgung von Verletzten vorbereitet werde. Landespolizeipräsident Wolf Hammann sagte, dass bei herausragenden Einsatzlagen künftig ein Expertenpool von einsatzerfahrenen Polizisten den Einsatzleiter unterstützen sollten. Der Stuttgarter Polizeipräsident hatte wegen der damaligen Ereignisse seinen Hut nehmen müssen.

Die Polizei wird weiterhin Blockaden auflösen

Gall bedauerte erneut, dass es bei dem Polizeieinsatz zu Verletzten kam. In dem Bericht wird aber auch zum Ausdruck gebracht, dass die Polizei weiterhin Blockaden auflösen wird. „Mehrfachblockierer sollten zur Durchsetzung der Platzverweise gegebenenfalls in Gewahrsam genommen werden.“ Es dürfe nicht verkannt werden, dass die primäre Ursache für den Einsatzverlauf am 30. September 2010 durch das Verhalten der S-21-Gegner gesetzt worden sei, heißt es in dem Bericht weiter. Das Ministerium denkt auch darüber nach, die Geheimhaltungsvorschriften für solche Großeinsätze neu zu fassen, um eine bessere Zusammenarbeit beispielsweise mit Rettungsdiensten zu gewährleisten.

Der CDU-Politiker Thomas Blenke sagte, mit dem Bericht habe die Polizei ihre Hausaufgaben gemacht. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Hans-Ulrich Sckerl sagte, die Polizei habe einen schwierigen Dienst zu verrichten. Die Bewertung des Einsatzes sei aber noch nicht beendet. Ziel der neuen grün-roten Landesregierung sei es, den Konflikt mit einer Volksabstimmung zu lösen. Der einstige Justizminister und FDP-Politiker Ulrich Goll meinte, es sei klar, dass der Polizeieinsatz nicht optimal gelaufen sei. „Die Spielregeln sind optimierbar.“ Grüne und SPD hatten im Februar auch der damaligen Landesregierung aus CDU und FDP eine Mitschuld am 30. September zugewiesen.