Zwischenrufe, Häme, Klatschen – das parlamentarische Lautgeschehen hat an Intensität zugenommen. Das zeigt eine Analyse der Universität Stuttgart-Hohenheim.

Stuttgart - Besucher des Landtags, zumal Schüler, zeigen sich häufig befremdet über die Unruhe im Plenarsaal. Sie nehmen die Abgeordneten als undiszipliniert wahr, deren Verhalten entspricht so gar nicht dem Kodex, wie er im Klassenzimmer gilt oder bei einem wohltemperierten Abendvortrag. Dabei übersehen sie, dass Zwischenrufe Teil der Debattenkultur sind. Sie dienen nicht nur der emotionalen Entlastung erhitzter Gemüter, sondern haben durchaus auch gewisse taktische Funktionen: zum Beispiel den Redner der eigenen Fraktion positiv zu bestärken oder Redner konkurrierender Fraktionen aus dem Konzept zu bringen.

 

Hämisches Lachen ist ein Merkmal der AfD

Mit dem Einzug der AfD in den Landtag 2016 ist das Klima im Landtag allerdings deutlich rauer geworden. Das lässt sich auch an den Zwischenrufen und Zwischenreaktionen (Aussagen, Beifall, wohlwollende Heiterkeit, hämisches Lachen) nachweisen, wie die Hohenheimer Kommunikationswissenschaftlerinnen Catharina Vögele und Claudia Thoms in ihrer Analyse des parlamentarischen Lautgeschehens in der vergangenen und in der laufenden Legislaturperiode darlegen. Zur Konfliktlinie zwischen Regierung und Opposition sei eine zweite Front getreten, welche die AfD von den anderen Fraktionen trenne. „Die AfD nutzt mit Abstand am häufigsten hämisches und abfälliges Lachen, um Redner anderer Fraktionen lächerlich zu machen“, schreiben die Wissenschaftlerinnen. Auch kritisiere die AfD in Zwischenrufen die anderen Fraktionen stärker als diese sich gegenseitig. Umgekehrt stoße die AfD bei den anderen Fraktionen auf Missachtung, und wenn sie dann doch Reaktionen erfahre, dann durchweg kritische.

In der Wahlperiode 2011 bis 2016 war die CDU als größte Oppositionsfraktion und zahlenmäßig stärkste Kraft mit den weitaus meisten Zwischenrufen hervorgetreten, an der Spitze CDU-Fraktionsvize Karl-Wilhelm Röhm, bis 2015 Gymnasialrektor. Die Stenografen notierten von ihm 5447 Zwischenrufe. In der aktuellen Wahlperiode ist die Bilanz ausgeglichener. Stand Herbst 2018 führt Anton Baron (AfD) mit 2787 Eintragungen das Feld an. Zwei Abgeordnete mit AfD-Parteibuch klagen derweil vor dem Verfassungsgerichtshof, weil sie nach Ordnungsrufen für je drei Sitzungen des Plenarsaals verwiesen sind.