Nach dem Mord an der Freiburger Studentin sollte die DNA-Analyse zügig erweitert werden. Doch die Initiative Baden-Württembergs wurde im Bundesrat gebremst. Neben den Chancen rücken auch die Risiken ins Blickfeld.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wäre es nach Guido Wolf (CDU) gegangen, dann hätte der Fall Maria L. schon vor Prozessbeginn Konsequenzen gehabt. Der baden-württembergische Justizminister nahm den Mord an der Freiburger Studentin zum Anlass, eine Ausweitung der DNA-Analyse zu fordern. Als erster Politiker machte er sich bereits Ende 2016 öffentlich dafür stark, dass künftig mehr Informationen aus dem Erbgut herausgelesen werden dürfen: nicht nur wie bisher Identität und Geschlecht, sondern auch äußere Merkmale wie Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie die grobe Herkunft.

 

Gerade bei „solch schrecklichen Vorfällen“ wie in Freiburg, verlangte Wolf, müssten die Ermittler alle verfassungsrechtlich zulässigen Ansätze nutzen dürfen. Bestärkt fühlte er sich durch die Polizei, die die DNA-Spuren des mutmaßlichen Täters gerne gründlicher ausgewertet hätte. Bei der Fahndung nach ihm hätte man sich dadurch erheblichen Aufwand ersparen können, hieß es. Für seinen Vorstoß erntete der CDU-Mann breiten Zuspruch, selbst Grüne und Datenschützer zeigten sich grundsätzlich offen dafür. Unter dem Eindruck des Mordes an Maria L. schien es möglich, die notwendige Novelle der Strafprozessordnung noch vor der Bundestagswahl auf den Weg zu bringen. Sie müsse endlich an die Fortschritte von Wissenschaft und Technik angepasst werden, die sich seit der letzten Neufassung 2003 ergeben hätten.

Dissens über Analyse der Herkunft

Doch spätestens im Frühsommer 2017 zeichnete sich ab, dass es mit der Änderung vor der Wahl nicht mehr klappen würde. Angesichts der hochsensiblen Informationen aus dem Erbgut dürfe man nichts übers Knie brechen, nötig sei eine gründliche Diskussion, lautete nun die Devise. Die Folge: Eine Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg landete auf der langen Bank.

Auf Druck der Grünen hatte Wolf darin auf die Analyse der Herkunft verzichtet, nur die Bestimmung der äußeren Merkmale sollte erlaubt werden. Polizeipraktiker zeigten sich darob enttäuscht, das zentrale Instrument werde ihnen vorenthalten. Mit einem flankierenden Vorstoß will Bayern auch die Herkunftsanalyse ermöglichen. Für ihn sei die Verzögerung „ärgerlich, da erkennbar ist, dass es große Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg gibt“, meinte Wolf. Wegen der nahenden Bundestagswahl sei ein Konsens leider nicht möglich gewesen.

Regierung verweist auf Komplexität

Dabei wird die erweiterte DNA-Analyse auch in Berlin grundsätzlich befürwortet, vom SPD-Justizminister ebenso wie vom CDU-Innenminister. Die Bundesregierung ist sich freilich „der wissenschaftlichen Komplexität bewusst“, heißt es in einer aktuellen Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Linken. Ganz so einfach, wie in der Diskussion zuweilen dargestellt, ist die Spurensuche im Erbgut nämlich nicht. Zwei Freiburger Professorinnen – die Schwestern Anna und Veronika Lipphardt – haben dies in den vergangenen Monaten unermüdlich herausgestrichen. Fächerübergreifend untersuchten sie in einer Gruppe von Wissenschaftlern Chancen und Risiken der DNA-Analyse. Ihr Befund, stark gerafft: Die Möglichkeiten würden oft überschätzt, die Gefahren dagegen zu wenig gesehen. Besonders skeptisch beurteilen sie die Analyse der Herkunft, die ohnehin nur sehr grobe Aussagen zulasse; im Freiburger Mordfall hätte dieses Instrument aus ihrer Sicht wenig genutzt. Zudem müssten die Fahnder besser geschult werden, um richtig mit den per DNA-Analyse ermittelten Wahrscheinlichkeiten arbeiten zu können, fordern die Professorinnen.

Justizminister Wolf will bei dem Thema nicht lockerlassen. Nach der Bundestagswahl, kündigte er bereits an, werde er den Kampf wieder aufnehmen.