Dortmund hat mit dem 5:2 gegen den FC Bayern im Pokalfinale das Double perfekt gemacht. Eine Zeitenwende sehen die BVB-Verantwortlichen aber nicht.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Berlin - Mitternacht war noch nicht vorbei, als es auf der Berliner Jesse-Owens-Allee schon keine einzige Münchner Lederhose mehr zu sehen gab. Dagegen sang die siegreiche Dortmunder Fangemeinde auf dem Platz vor dem Berliner Olympiastadion, wo die großen Siege gefeiert werden, ihr frisch getextetes Lied von der Schießbude Manuel Neuer: „Wir singen und tanzen auf jedem Fußballplatz! Ein Schuss, ein Tor – gegen die Bayern!“, lautete der spöttische Abgesang auf den deutschen Rekordmeister und Rekordpokalsieger, den der BVB nun bereits zum fünften Mal nacheinander besiegt hat.

 

In den Katakomben des Berliner Olympiastadions war der Dortmunder Meistertrainer Jürgen Klopp nach dem 5:2-Erfolg im Finale des DFB-Pokals über den FC Bayern, der den Westfalen das erste Double in ihrer 103-jährigen Clubgeschichte bescherte, dagegen damit beschäftigt, sich kleiner zu machen, als er eigentlich ist. Und das hatte nur zuweilen mit den tief hängenden Decken im Bauch von Deutschlands zweitgrößtem Stadion zu tun. „Wir halten uns für eine richtig gute Fußballmannschaft, aber nicht für die beste“, sagte der in Sachen Erfolgsbewertung zurückhaltende 44-jährige Coach, nachdem seine Spieler den Bayern-Torwart Manuel Neuer immerhin stolze fünfmal in einem Spiel überwunden hatten. Das ist eine Leistung, musste der Nationaltorhüter in der gesamten Bundesligarunde lediglich 22 Gegentreffer hinnehmen.

Watzkes markiger Spruch

Während der Dortmunder Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nur einen einzigen markigen Spruch riskierte („Die Bayern wollten uns zeigen, wo der Hammer hängt – der Hammer hängt in Dortmund!“), ist für Klopp die Zeitenwende im deutschen Fußball mit seiner Borussia als zweite große deutsche Fußballmacht neben den Mia-san-Mia-Bayern längst (noch) nicht vollzogen. „Um sich zu etablieren, braucht das Nachhaltigkeit“, sagte der Trainer, „erst wenn wir unsere Erfolge auch international bestätigt haben, ist uns diese Nachhaltigkeit ansatzweise gelungen.“

Zu gut sind den Dortmundern da – trotz der Galavorstellung ihres Teams im 69. deutschen Pokalfinale gegen die Bayern – die Erfolgsjahre 1995 bis 1997 mit der zweifachen Meisterschaft und dem anschließenden Sieg in der Champions League noch in Erinnerung. Damals hatten die Schwarz-Gelben zwar sportlichen Erfolg, steuerten aber finanziell unter der Führung des Präsidenten Gerd Niebaum und des Managers Michael Meier auf den Abgrund zu.

Da geht die heutige Führungscrew bei aller Empathie des Trainers Jürgen Klopp für seine Mannschaft („Was die Jungs geleistet haben, ist nicht in Worte zu fassen.“) und all dem externen Lob („Es war ein hinreißendes Spiel, in dem die Dortmunder frischen Fußball geboten haben“, sagte der Bundespräsident Joachim Gauck.) wesentlich nüchterner zu Werke. Denn Klopp, Watzke und auch der zurückhaltende Sportdirektor Michael Zorc beschäftigen sich fast ausschließlich mit dem eigenen Erfolg. „Wir können richtig gut feiern, aber wir können uns dann auch wieder auf unsere Aufgaben konzentrieren“, sagte Klopp.

Schließlich wäre Spott auch unangebracht, erwarten ihre Gegner von Berlin, die böse gerupften Münchner, doch am nächsten Wochenende in der Champions League den FC Chelsea zu ihrem lang ersehnten „Finale dahoam“. Dieses ist für einen Fußballclub das größtmögliche Endspiel, was auch der BVB anerkennt.

Schweinsteiger und Gomez schwach

Die Generalprobe vor 75 800 Fans im Berliner Olympiaoval, in dem der BVB auch vom Fanaufkommen her die Oberhand besaß, hätte für die Münchner allerdings nicht unglücklicher ausfallen können. So sprach der Bayern-Coach Jupp Heynckes von einem „atypischen Spiel“ seiner Elf, „da wir gerade in der Defensive katastrophale Fehler gemacht haben, die sonst nicht vorkommen“. Mag es da ein Trost sein, dass er in Luiz Gustavo, David Alaba und Holger Badstuber gerade die drei Akteure als die Hauptsündenböcke ausfindig gemacht zu haben glaubte, die gegen Chelsea gesperrt sind? Denn auch andere, wie der nach seiner Verletzungspause noch unter Form spielende Bastian Schweinsteiger oder der glücklose Mario Gomez, spielten auch mit Blick auf die EM schwach.

Es war also kein Wunder, dass die Besucher im Oberrang der Haupttribüne des Olympiastadions immer wieder die Hälse über die Balustrade reckten, um hinab zu blicken auf die Ehrenloge, wo die beiden Bayern-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nach Abpfiff zu Salzsäulen erstarrt auf den Rasen blickten.

„Wenn man 2:5 verliert, ist das kein Zufall und auch kein Pech, dann ist das eine Blamage“, sagte Rummenigge, denn der Vorstandsvorsitzende hatte sich angucken müssen, wie nach der Meisterschale nun auch der Pott in den Pott wanderte. „Wir sind extrem frustriert“, sagte Arjen Robben, der mit seinem Elfmeter zum 1:1 für einen der wenigen Münchner Lichtblicke gesorgt hatte: „Aber am Montag beginnt die Vorbereitung auf Chelsea.“ Dann werden in München zum Finale der Champions League wieder die Lederhosen rausgeholt.