Ebenfalls auf seiner persönlichen Homepage veröffentlichte Hitzlsperger vor einem Monat seinen offenen Brief, in dem er die Bewerbung angekündigt – und damit einen beispiellosen Machtkampf mit dem Amtsinhaber Claus Vogt losgetreten hat. Mit seinem Rückzug reagiert der 38-Jährige nun wie erwartet auf die völlig aus dem Ruder gelaufene Führungskrise, die den VfB an den Rande der Handlungsunfähigkeit geführt und ihm selbst massive Kritik von allen Seiten eingebracht hat.
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„Ich mache das aus Verantwortung gegenüber unserem Verein und meinen Mitarbeitern“, so begründet Hitzlsperger seinen Schritt: „Wir brauchen wieder Ruhe im Verein. Mit meiner Entscheidung will ich meinen Teil dazu beitragen“, das sei er „letztendlich auch mir selbst schuldig“. Gleichzeitig erinnert der in Bedrängnis geratene Meisterspieler von 2007 an das bei der Ausgliederung 2017 gegebene Versprechen, dass die Interessen der Mitglieder auch gegenüber der neuen AG gewahrt bleiben sollen. „Daran möchte ich nichts ändern“, so beteuert er nun, „aber meine Bewerbung hat das nicht genügend berücksichtigt. Das tut mir leid.“
Vogts Alleingang
Klar ist jetzt also, dass sich Hitzlsperger auch künftig auf seine Arbeit im Vorstand der VfB-AG beschränken will – völlig offen jedoch bleibt, wie die Krise an der Vereinsspitze zu lösen ist. Zur größtmöglichen Eskalation führte vergangene Woche die Ankündigung Vogts, die für 18. März geplante Mitgliederversammlung im Alleingang auf 5. September verschieben zu wollen. Eine Verlegung fordern zwar auch weite Teile der organisierten Fans; auch innerhalb des Clubs gibt es starke Befürworter. Doch ist Vogt in den Augen vieler zu weit gegangen, indem er sich gegen alle Gremien gestellt, den kompletten Verein herausgefordert und die Auseinandersetzung auf die Spitze getrieben hat.
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Weder Hitzlsperger noch Vogt dürfen vom Vereinsbeirat zur Wahl vorgeschlagen werden, so lautete noch vor dem freiwilligen Rückzug des Vorstandsvorsitzenden bei vielen die einzig mögliche Konsequenz. Beistand bekam der amtierende Präsident Ende vergangener Woche immerhin vom VfB-Ehrenpräsidenten Erwin Staudt, der in der „Bild“-Zeitung erklärte: „Nach meinem Demokratie-Verständnis muss der Amtsinhaber, der von den Mitgliedern gewählt wurde, wieder zugelassen werden – sofern er das möchte.“
Gibt es weitere Kandidaten?
An Vogt würde es nicht scheitern, wohl aber am Vereinsbeirat, in dem der Präsident seit seinem Alleingang eine 3:5-Mehrheit gegen sich haben soll. Schon lange vorher kündigte das vom Vogt-Gegner Wolf-Dietrich Erhard geführte Gremium an, dass eine Personalberatungsagentur nach weiteren Kandidaten suchen werde. Zu nennenswerten Erfolgen hat dies angeblich noch nicht geführt. Nach Hitzlspergers Rückzug bleibt als einziger Bewerber neben Vogt nur Volker Zeh, der zwar bereits fleißig Werbung in eigener Sache betreiben lässt, dem Teile der Fans aber mit großem Misstrauen begegnen.
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Die Frage, wer den VfB in Zukunft als Präsident führen und im Idealfall befrieden soll, dürfte ohnehin von nachrangiger Bedeutung sein, so lange nicht die Ergebnisse (und die daraus folgenden personellen Konsequenzen) der Datenaffäre vorliegen. Auch der Vereinsbeirat hat angekündigt, über die Nominierung des oder der Kandidaten erst im Anschluss zu entscheiden. An diesem Montag will die von Claus Vogt beauftragte Kanzlei Esecon nach monatelangen und erschwerten Ermittlungen den mit Spannung erwarteten Abschlussbericht vorlegen. Wann die Ergebnisse den Mitgliedern präsentiert werden, steht aber noch nicht fest.
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Unklar bleibt vorerst auch, wer die juristische Bewertung des Abschlussberichts vornehmen wird. Während Experten in solchen Fällen häufig eine neutrale Instanz empfehlen, würde Vogt gerne auch dieses Mandat durch die Esecon-Anwälte vornehmen lassen, das der Rest des Aufsichtsrats angeblich der Daimler-nahen Kanzlei Gleiss Lutz übertragen will. Doch liegt es an Claus Vogt, als Vorsitzendem des Kontrollgremiums den Mehrheitsbeschluss zu unterschreiben. Bis jetzt ist das offenbar nicht passiert. Es ist nicht die einzige ungeklärte Frage in diesem Machtkampf, der auch nach dem Rückzug Hitzlspergers unvermindert weitergeht.