Enttäuschung bei den Jusos – stille Genugtuung bei den Verfechtern einer großen Koalition: In Deutschland kann jetzt wieder regiert werden. Die AfD wetzt unterdessen die Messer.

Berlin - Nach der Zustimmung der sozialdemokratischen Basis ist die Neuauflage der großen Koalition beschlossene Sache– und die Reaktionen darauf fallen höchst unterschiedlich aus. Während sich die SPD-Führung erst einmal augenfällig mit Bewertungen zurückhielt, tat Juso-Chef Kevin Kühnert, das Gesicht der Nein-Kampagne, seine „Enttäuschung“ kund.

 

Gleichzeitig hätten die jüngsten Diskussionen der Partei gut getan: „Die SPD muss mehr sein wie in den letzten Wochen und weniger, wie in den letzten Jahren“, schrieb Kühnert auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Das Wirtschaftsforum der SPD dagegen äußerte sich grundsätzlich positiv: Mit der heutigen Entscheidung kehren nun für die Wirtschaft nach einem fast sechsmonatigen politischen Stillstand endlich wieder Ruhe sowie Planungs- und Rechtssicherheit zurück.“

Und auch der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Johannes Fechner begrüßte das Ja: „Nun kann endlich eine Regierung gebildet werden, in der die SPD die Ziele umsetzen kann, für die wir gewählt wurden.“ Er nannte die Kindergelderhöhung, die Abschaffung des Soli, mehr Personal für Pflege, Justiz und Polizei und sichere Renten. Allerdings dürfe seine Partei bei der Umsetzung „nicht noch einmal so brav wie in der letzten Wahlperiode sein“.

Erleichterung in der CDU

Ein öffentlicher Auftritt der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, die nun am 14. März zum vierten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt werden soll, war am Sonntag nicht geplant. Ihre neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnete für die CDU das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids als „gute Entscheidung für die SPD und vor allem für unser Land“. Der Koalitionsvertrag, dem 66 Prozent der sozialdemokratischen Mitglieder nun ihren Segen gegeben haben, bilde eine gute Grundlage für die die neue Bundesregierung: „Er stellt die Weichen für die Zukunft unseres Landes richtig und er bringt den Menschen in unserem Land konkrete Verbesserungen.“

Der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl sprach deshalb am 161. Tag nach der Bundestagswahl und einer „wirklich unerhört“ langen Phase der Regierungsbildung von einem „Akt der Vernunft“ seitens der SPD-Basis: „Endlich hat sich noch jemand – außer der Union! – gefunden, der dieses Land regieren und gestalten will.“ Die erneute schwarz-rote Kooperation sei, so Strobl weiter, „selbstverständlich für niemanden der Traum der schlaflosen Nächte“, doch werde sie „eine gute, solide und stabile Regierung sein, die Deutschland dient und voranbringt“. Nun gelte hoffentlich der Spruch, „Ende gut, alles gut.“

Die Linke geht auf die GroKo-Gegner zu

Das sehen die Linkspartei und die AfD grundsätzlich anders. Von einer vertanen Chance sprach Linkspartei-Chef Bernd Riexinger auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Die SPD hat sich gegen die Erneuerung entschieden.“ Der Bundesvorsitzende aus Baden-Württemberg bot enttäuschten Sozialdemokraten zudem umgehend eine neue politische Heimat an: „Wir stehen als linke Alternative bereit.“

Auch Sahra Wagenknecht, die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, drückte ihr Bedauern aus: „Statt wieder die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner zu vertreten, hieven die Sozialdemokraten lieber Merkel erneut in den Chefsessel.“

Im Gegensatz zu Riexinger bot Wagenknecht den Groko-Gegnern unter den Sozialdemokraten jedoch Zusammenarbeit an im Sinne einer von ihr bereits zuvor geforderten Sammlungsbewegung und nannte es „ermutigend“, dass sich Teile der SPD mit großem Einsatz gegen die große Koalition ausgesprochen hätten: „Wir müssen jetzt gemeinsam diskutieren, wie wir das für einen neuen Aufbruch von links nutzen können.“

Die AfD wetzt die Messer

Aus der entgegengesetzten politischen Richtung teilte die „Alternative für Deutschland“ mit, dass eine erneute Koalition von Union und SPD eine „Katastrophe für Deutschland“ sei. „Spätestens 2021 kommt die Quittung“, hieß es in einer Mitteilung der AfD auf Facebook. In den Ausführungen dort war die Wortwahl noch verächtlicher: „Mit dem Ja der SPD-Basis zur neuerlichen Auflage der GroKo hat man dem rasanten Totentanz in den Abgrund für Deutschland für weitere vier Jahre Tür und Tor geöffnet.“ Die Partei habe sich entschieden für „die so vertraute Rolle als devoter Steigbügelhalter für die das eigene Volk verachtende Kanzlermatrone“.

Für die Liberalen äußerte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer dagegen „Respekt vor dem SPD-Mitgliederentscheid“, dessen Ja zu einer Regierungsbeteiligung sie allerdings vor allem darin begründet sieht, dass die Partei „mehr Angst vor Neuwahlen als vor weiterer Marginalisierung in einer erneuter Merkel-Koalition“ habe. Nun habe auch das Zittern der Kanzlerin nach dem Abbruch der „Jamaika“-Gespräche durch die Liberalen ein Ende , so Beer: „Sie behält Kanzleramt, bewegt sich weiter nur seitwärts.“

Den einzigen „Glückwunsch“ aus der Opposition bekamen die alten neuen regierungsparteien vom ehemaligen Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir. Er versprach Union und SPD eine „konstruktive Opposition“, die in Sachfragen „bereit zum Dialog“ sein werde.

Seine Nachfolgerin Annalena Baerbock kündigte an, dass die „Leerstellen“ des Koalitionsvertrages bei Klimaschutz oder Kinderarmut nun „aus dem Parlament heraus gefüllt werden“ müssten. Es sei aber, so Baerbock, „gut, dass die politische Hängepartie endlich vorbei ist“.