Der Stuttgarter Pilotabschluss wird keine großen Nachbeben auslösen: Der Arbeitgeberverband Südwestmetall dürfte seine Klage vor dem Arbeitsgericht gegen die 24-Stunden-Streiks wohl zurückziehen. Bei der IG Metall überwiegt klar die Zufriedenheit.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Nach dem Stuttgarter Tarifabschluss könnte bald auch der juristische Konflikt zwischen der IG Metall Baden-Württemberg und dem Arbeitgeberverband beigelegt werden. Zwar bleibt unklar, ob die Tarifforderung und damit die 24-Stunden-Warnstreiks rechtswidrig waren – so wie es die Arbeitgeber sehen. Womöglich wird dies aber nie objektiv festgestellt werden. Auf beiderseitigen Antrag wurde der zunächst für diesen Donnerstag angesetzte Gütetermin beim Arbeitsgericht Stuttgart erst auf den 1. März und jetzt auf den 22. März verlegt. Offen sei allerdings, ob er überhaupt zustande komme, teilt Südwestmetall mit.

 

Dies deutet auf eine stille Beerdigung des Streits hin, sobald der Tarifvertrag endgültig festgezurrt ist. Die IG Metall äußert bereits „die Erwartung, dass Südwestmetall die Klage zurückzieht“. Dies würde auch führende Funktionäre entlasten: Wohl um sicherzugehen, dass das Arbeitsgericht Stuttgart zuständig ist, waren neben der IG Metall der Bezirksleiter Roman Zitzelsberger und der Stuttgarter Bevollmächtigte Uwe Meinhardt als Unterzeichner der Streikaufrufe verklagt worden. Laut der bayerischen IG Metall soll sich der dortige Verband verpflichtet haben, die Klage zu stornieren. Beim Arbeitsgericht Frankfurt steht am 20. Februar noch ein Gütetermin zur Klage der sächsischen Arbeitgeber aus.

Will man das Interesse stillen oder Öl in die Glut gießen?

Südwestmetall muss sich also entscheiden: Will man das Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit stillen oder neues Öl in die Glut kippen? Finanzielle Ausfälle kann er kaum nachweisen. Einzelnen Firmen steht es jederzeit frei, ihren Schadenersatz selbst geltend zu machen. Nachweisen müssten sie dafür, dass die Streiks definitiv Einbußen verursacht haben. Solche Fälle gibt es: Firmen, die ihre Ersatzschichten schon vorher so weit ausgelastet hatten, dass die Streikausfälle in diesem Jahr nicht mehr hereinzuholen sind. Bis jetzt ist einem Gerichtssprecher zufolge aber keine Firmenklage im Südwesten bekannt. Noch während der Ganztagesstreiks hatten zwei Firmen vor Arbeitsgerichten in Krefeld und Nürnberg vergeblich versucht, einstweilige Verfügungen zu erwirken.

Eine latente Unzufriedenheit mit dem Abschluss verhehlt Südwestmetall nicht: Der Anteil der Betriebe, die mit der gut siebenprozentigen dauerhaften Lohnerhöhung „nicht zurechtkommen werden, ist enorm hoch“, sagt ein Sprecher. Er wisse von einem Unternehmen, das sogleich einen Einstellungsstopp verhängt hätte. Austritte aus den Arbeitgeberverbänden hat es nach dem Tarifabschluss bundesweit offenbar nur einen gegeben: der Leuchtmittelhersteller Ledvance hatte in Bayern seinen Abgang verkündet. Allerdings war dafür eher die wirtschaftliche Schieflage verantwortlich. Ein Austritt würde einem Betrieb zunächst auch wenig bringen, weil es für die Tarifverträge mehrjährige „Nachbindungen“ gibt.

Reallöhne sind seit 2000 um 30 Prozent gestiegen

Derweil demonstriert die IG Metall – wie üblich nach Tarifabschlüssen – vollste Zufriedenheit mit dem am 6. Februar erzielten Kompromiss. Fast alle Betriebsfunktionäre berichteten in der Großen Tarifkommission von „durchweg großer Anerkennung“ und „hoher Zustimmung“. „Die Ergebnisse der Arbeitszeitthemen sind wegweisend für andere Branchen und für ganz Deutschland“, äußerte zum Beispiel die Pforzheimer Bevollmächtigte Liane Papaioannou. Von einer „geilen Tarifrunde“ ist mehrfach die Rede – wohl nicht zuletzt wegen der 24-Stunden-Streiks.

Zufrieden können die Beschäftigten in der Tat sein: Laut Arbeitgeberverband sind die Tariflöhne seit dem Jahr 2000 nunmehr um gut 70 Prozent gestiegen – die Reallöhne immerhin noch um 30 Prozent. Auch die Arbeitgeber haben Anlass zur Genugtuung wegen der in diesem Umfang erstmaligen Ausweitung des Arbeitszeitvolumens. Zwar bleibt die 35-Stunden-Woche der Maßstab für die Bezahlung, doch können die Betriebe ihr Beschäftigungsvolumen rechnerisch um gut zwei Stunden pro Woche hochtreiben. Vielfach muss der Betriebsrat der Ausweitung der Arbeitszeitinstrumente zustimmen. Deswegen und wegen der Komplexität der Regelungen ist der Verband noch nicht sicher, dass „der Tarifabschluss zum Fliegen kommt“.