Die Terrorattacken in Brüssel lassen in Paris die Erinnerung an die verheerenden Anschläge vom 13. November 2015 wieder hochkommen.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Für die Franzosen war es am Dienstag, als würde eine schlecht vernarbte Wunde aufreißen. Erschreckt sahen sie die Brüsseler Bilder mit panisch flüchtenden Menschen, Verletzten am Boden und rasenden Rettungswagen. Plantu, der Karikaturist der Zeitung „Le Monde“, verschickte sofort eine Zeichnung via Twitter: Darauf legt ein Träger der französischen Trikolore tröstend und zugleich schützend den Arm um die Schultern eines in seine eigene Nationalflagge gehüllten Belgiers. Aus Solidarität wurde der Eiffelturm in Paris so eingestellt, dass er abends in den belgischen Landesfarben erstrahlen sollte. Auch die zahllosen spontanen Solidaritätsbekundungen zeugten davon, wie sehr sich die Franzosen von den Anschlägen in Brüssel – im TGV nur 80 Minuten von Paris entfernt – betroffen fühlen.

 

Krisensitzung im Élysée-Palast

Auch die französische Staatsführung reagierte prompt: Noch bevor überhaupt bestätigt war, dass es sich um einen Terroranschlag handelte, hielt Präsident François Hollande im Élysée-Palast eine Krisensitzung mit anderen Regierungsvertretern ab. Im Anschluss daran erklärte Premier Manuel Valls: „Wir befinden uns im Krieg.“ In der Regierungssitzung wurde beschlossen, zusätzliche Kompanien an CRS-Bereitschaftspolizisten für die französischen Flughäfen und Bahnhöfe aufzubieten. Schon seit dem 13. November patrouillieren dort oft Militäreinheiten in Tarnanzügen und mit geschulterten Gewehren. Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte im Anschluss an die Regierungssitzung: „Ich habe beschlossen, weitere 1600 Polizisten und Gendarmen an verschiedenen Orten des Landes einzusetzen.“

Dagegen vermied Cazeneuve jede Erwähnung der frankobelgischen Grenze, die am 13. November die Attentäter und der soeben gefasste Salah Abdeslam benutzt hatten. Augenzeugen berichteten aber, die französische Polizei kontrolliere die Autos. Der Zugverkehr zwischen Brüssel und Paris war ohnehin unterbrochen. Belgien hatte schon Ende Februar Grenzkontrollen eingeführt. Dabei ging es allerdings um die Abwehr von Flüchtlingen aus den wilden Lagern in Calais und am französischen Ärmelkanal. Die neuen Kontrollen betreffen die entgegengesetzte Richtung.

Kritik an den belgischen Behörden

Eine Polemik entstand in Paris durch die Aussage des konservativen Abgeordneten Alain Marsaud vom Vortag, die Belgier legten bei der Terrorbekämpfung „Naivität“ und „mangelnde Reflexe“ an den Tag. Sie kontrastieren mit der offiziellen Versicherung einer gut eingespielten Kooperation mit den belgischen Behörden. Und sie zeugen ihrerseits von einer großen Nervosität bis nach Paris, wo Terrorexperten seit Tagen vor neuen Attacken gewarnt hatten.

In Paris ging die politische Aufarbeitung der Pariser Anschläge unterdessen weiter. Der konservativ dominierte Senat stimmte am Dienstag für eine andere Verfassungsreform, als sie der Sozialist Hollande vorgeschlagen hatte. Sein sehr symbolisches Vorhaben, Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, dürfte damit gescheitert sein.