Die Unternehmen im Land dringen auf den Breitbandausbau und eine steuerliche Förderung von Entwicklungsausgaben. Die Wunschliste der Wirtschaft an die neue Landesregierung ist lang.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Die baden-württembergischen Firmen sind mit dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung in vielen Punkten einig – zum Beispiel beim Bekenntnis für die duale Ausbildung. In einigen anderen Bereichen sieht die Wirtschaft Optimierungsbedarf. Die wichtigsten Themen.

 
Straßenbau finanzieren

Die baden-württembergische Wirtschaft beklagt regelmäßig den Zustand der Straßen im Land. Die schlechte Verfassung der Infrastruktur sei umso problematischer, da die Bemühungen der Politik, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, durch die Stilllegungspläne vieler Güterbahnhöfe im Land abermals infrage gestellt werden, sagte Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) in Stuttgart. Die neue grün-schwarze Landesregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag, sie werde in dieser Legislaturperiode in „erheblichem Umfang in den Landestraßenbau investieren“. Um ein Zeichen der Verlässlichkeit zu setzen, will die Landesregierung die Finanzierung von den einzelnen Haushaltsjahren entkoppeln und stattdessen ein Gesamtpaket über fünf Jahre schnüren. Das Problem aus Sicht der Wirtschaft: Die Landesregierung bekennt sich nicht zu einer Summe. „Wir vermissen konkrete Zahlen zum Volumen für Aus- und Neubau sowie Sanierung“, sagte Kulitz. „Erst, wenn die Regierung sagt, wie viel Geld sie dafür in die Hand nehmen will, wird klar, wie ernst sie es mit den so wichtigen Lebensadern unserer Wirtschaft meint.“ Die Südwestwirtschaft fordert für den Aus- und Neubau der Straßen eine jährliche Investitionssumme in Höhe von mindestens 60 Millionen Euro – als Fünfjahrespaket also 300 Millionen Euro. „Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur muss absolute Vorfahrt haben“, sagte auch Dietrich Birk, Chef des Maschinenbauverbands VDMA in Baden-Württemberg. Dafür müsse mehr Geld in die Hand genommen werden als bislang.

Breitbandnetz ausbauen

Die baden-württembergischen Unternehmen begrüßen, dass die Landesregierung das Breitbandnetz – also schnelles Internet – flächendeckend ausbauen will. „Dies ist eine wesentliche Grundlage für die nachhaltige, digitale Mobilität der Zukunft“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Damit die international tätigen Unternehmen, die oft auch im ländlichen Raum sitzen, nicht den Anschluss verlieren, sei es wichtig, den Ausbau möglichst schnell voranzutreiben, sagte Birk. „Dabei muss die Landesregierung auf die Glasfasertechnologie setzen.“ Nach Ansicht der Südwest-Unternehmen reichten die bislang dafür veranschlagten 320 Millionen Euro nicht aus.

Forschung intensivieren

Mit Blick auf Bayern appelliert Kulitz an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), er möge die baden-württembergischen Belange in Berlin stärker vorbringen und durchsetzen. „Wir sind eingebunden in die Bundesgesetzgebung“, sagte Kulitz. „Angesichts unserer wirtschaftlichen Stärke und der Größe unseres Bundeslands muss Baden-Württemberg auf der Bundesebene mehr Einfluss nehmen.“ Er machte dies fest an der steuerlichen Förderung für Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Dafür hatte sich auch Nils Schmid (SPD), Wirtschaftsminister der Vorgängerregierung, eingesetzt. Seine Initiative fand bei den Ländern jedoch keine Mehrheit, da sie zu hohe Steuerausfälle befürchten. „Nun haben wir es jedoch mit einer anderen Konstellation zu tun“, sagte Kulitz. Die neue Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ist von der CDU – also der Mehrheitspartei im Bund. Davon verspricht sich Kulitz mehr Einflussmöglichkeiten. Die neue Wirtschaftsministerin lobt Kulitz in den höchsten Tönen. „Sie bekommt eine ordentliche Portion Vertrauensvorschuss.“ Er erwartet jedoch auch, dass sie liefert: „Diese steuerliche Absetzbarkeit dient für mich als Lackmustest, an dem der Einfluss der Landesregierung in Berlin sichtbar wird.“

Duale Ausbildung aufwerten

Die Wirtschaft klagt seit Jahren über einen Akademisierungswahn, der dazu führe, dass für die Ausbildungsberufe der Nachwuchs ausgeht. Die duale Ausbildung müsse von der Wirtschaft gemeinsam mit der Politik als gleichwertige Alternative zum Studium in der Öffentlichkeit positioniert werden, sagte Kulitz. Die Landesregierung habe hier dazugelernt: Im neuen Koalitionsvertrag seien die Punkte der Wirtschaft berücksichtigt. Die Wirtschaft fordert die Einführung eines verbindlichen Tags der Berufsbildung – insbesondere auch an den Gymnasien. „Unsere Vorschläge liegen schon auf dem Tisch.“ Auch die Ausstattung der Berufsschulen muss nach Ansicht der Wirtschaft verbessert werden. Daneben fordert die Wirtschaft eine Überarbeitung des Bildungszeitgesetzes. Die fünf Tage Bildungsurlaub im Jahr, die es zusätzlich zum regulären Urlaubt gibt, sollen nach Ansicht der Wirtschaft nur der beruflichen Weiterbildung dienen.